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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
118.1999
Seite: 224
(PDF, 32 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1999/0226
nung dieser Hoheitsrechte als Landsassen unterstellt. Nur so konnte Egenolph von Rappolt-
stein Präsident der vorderösterreichischen Ritterschaft und Landstände sein und Eschbach in
der vorderösterreichischen Ständematrikel geführt werden. Es ist keinesfalls ungewöhnlich,
daß ritterständischer Besitz, wie eben Eschbach, in der Matrikel des vorderösterreichischen
Ritterstandes geführt wird. Wie H. daraus schließen kann, daß Eschbach aufgrund dieser rein
formalen und allenfalls verfassungsrechtlichen Relevanz ein größeres Selbstbewußtsein gehabt
haben sollte (S. 114), bleibt unklar. Sollte vergleichsweise der Abt von Murbach, dessen
Besitztümer (auch jedes Dorf) ausschließlich in der Ritterstandsmatrikel eingeschrieben
waren, sich aufgrund seiner Zugehörigkeit als Ritterstandglied nicht mehr als Geistlicher/Abt
fühlen oder sich gar anders verhalten?

Aus der Landsässigkeit der Rappoltsteiner und ihrer Eschbacher Dorfherrschaft folgt konsequent
der Anspruch der vorderösterreichischen Regierung auf die Landeshoheit und das ius
reformandL Trotz aller reformatorischer Ambitionen der Rappoltsteiner konnte die österreichische
Landeshoheit und das ius reformandi aus diesem Grunde in Eschbach nie angezweifelt
werden. Anders war dies in den ehemals reichsunmittelbaren rappoltsteinischen Besitzungen
, die nicht direkt österreichischer Landeshoheit unterstanden, aber die für die vorliegende
Arbeit keine Rolle spielen. Schließlich hat sich die Familie der Rappoltsteiner im
wesentlichen damit begnügt, das personale Recht der freien Konfessionswahl für sich selbst zu
beanspruchen und hat dieses auch anerkanntermaßen durchgesetzt. Eine solche Unterscheidung
kennt die Darstellung der Eschbacher Dorfordnungen aber leider nicht und so kommt es
daher zu vermeidbaren Fehlinterpretationen,

Die Frage der reformatorischen Gesinnung der Dorfbewohner aus fehlenden Formeln, fehlender
Nennung von Heiligen in den Dorf Ordnungen usw. oder aus der in Visitationen festgestellten
religiösen Passivität zu erschließen, ohne weitere quellenmäßige Gegenprobe aufstellen
zu können, erscheint ungenügend. Nimmt man ein solches Verhalten tatsächlich für bare
Münze, kann dafür beispielsweise die Nähe Eschbachs zum protestantisch-badischen Territorium
ein Indiz sein, das an die Eschbacher Gemarkung stieß. Ebenso kann der Grund für eine
Unsicherheit im Verhalten der Dorfbewohner einerseits die katholische Landesherrschaft und
andererseits die offensichtlich protestantische rappoltsteinische Dorfherrschaft sein, die beide
dem Dorf unvereinbare Verhaltensmuster vorleben. Ganz abgesehen davon haben die Herren
von Rappoltstein erst in den 80er Jahren als personale Reichsstände die Confessio Augustana
unterzeichnet und galten bis dahin (formal) als katholisch. Aus anderen Fällen ist bekannt, daß
ein im Konkubinat lebender katholischer Priester für das konfessionelle Verhalten eines Dorfes
ebensowenig ein Problem sein mußte wie das Präsentationsrecht eines protestantischen
Herren für eine katholische Pfarrkirche (S. 96), so daß diese Punkte kein Beweis für einen konfessionellen
Sonderstatus Eschbachs darstellen. Die Passagen gegen Zutrinken und Müßiggang
(S. 99) sind ebenfalls nicht als protestantisch, sondern eher als konfessionsunabhängig,
zeittypisch zu sehen; sie sind in anderen, ausgesprochen katholischen Orten des vorderösterreichischen
Breisgaus nicht weniger häufig anzutreffen. Damit liegt noch keineswegs ein Beweis
für protestantisches Gedankengut in Eschbach vor, wie S. 113 vermutet. Es erhebt sich
vielmehr die Frage, inwiefern die Frage der Konfessionzugehörigkeit für die Dorfbewohner
überhaupt ein Problem war, oder ob sie die konfessionellen Unterschiede kannten.

Die Interpretation der Eschbacher Dorfordnungen zu filtern, ist daher nicht nur empfehlenswert
, sondern auch unbedingt notwendig. Der gute und interessante Ansatz von Ursula
Huggle, sich für eine andere Dorfgeschichte als die sonst üblichen und ewig gleichen „zu Text
gewordenen Chroniken und Vereins-Rundschauen" einzusetzen, ist mehr als löblich. Der Wert
des Eschbacher Beispiels wird aber durch die genannten sehr freien und teilweise unrichtigen
Interpretationen geschmälert. Man darf sich aber durch einen nicht optimal gelungenen Versuch
einer „anderen" Dorfgeschichte, die sich an Historiker und interessierte Laien gleicher-

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