Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 179
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Konkordats beigelegt wurde. 1862 zog das liberale Kabinett Roggenbach-Lamey die
Konsequenz aus diesem Gesetz und ersetzte den konfessionell-paritätischen Oberstudienrat
durch eine neue Leitungs- und Aufsichtsinstanz, den „Oberschulrat", der
jetzt nur mehr aus staatlichen Fachexperten bestand.78 Damit erlosch die geistliche
Schulaufsicht, die die Liberalen - vor allem der damalige Innenminister Jolly - für
vielerlei Gebrechen des badischen Schulwesens verantwortlich machten, unter anderem
für die Leistungsschwäche der Mittelschulen. In der Tat beklagte 1864 beispielsweise
der Heidelberger Altphilologe Hermann Köchly, dass die badischen Abiturienten
„keinen Satz lateinisch frei komponieren und keine Zeile Griechisch ohne
Accentfehler niederschreiben" könnten.79 Und der badische Lehramtskandidat
Grohe stellte in einem Bericht über seinen Stipendien-Aufenthalt an einem Berliner
Gymnasium - ebenfalls 1864 - fest, „daß die Ansprüche, die hier an die Arbeitskraft
der Schüler gemacht werden, viel größer sind, als man bei uns nur entfernt gewohnt
ist".80 In Baden leide man „an einer falschen Gemütlichkeit",81 fasste der einflussreiche
Oberschulrat Dr. Otto Deimling82 die damalige Stimmung der Karlsruher
Behörde zusammen. Diese zog hieraus unterschiedliche Konsequenzen: Zum einen
schickte sie hoffnungsvolle Junglehrer, wie den bereits erwähnten Grohe oder den
späteren Freiburger Direktor Bender,83 gleichsam als Lehrlinge an preußische Gymnasien
. Zum anderen berief sie preußische Lehrer an badische Schulen, allen voran
Gustav Wendt aus Hamm, der als Direktor des Karlsruher Lyzeums alsbald dem badischen
Mittelschulwesen den Takt vorgeben sollte.84 Abschluss der Reform bildete
der Lehrplan von 1869, der die Zahl der Pflichtwochenstunden um fünf erhöhte und
gleichzeitig die philosophische Propädeutik des Lehrplans von 1837 von elf auf zwei
Stunden reduzierte.83 Die durch beides gewonnenen Unterrichtsstunden kamen vor
allem Griechisch, Mathematik und Physik zugute. Der Lehrplan beschrieb erstmals
detailliert die künftigen Leistungsanforderungen an das Abitur86 und artikulierte damit
die neue Leistungsorientierung der badischen Gelehrtenschulen an ihrer sensibelsten
Stelle.

Die mit den Namen Jolly, Deimling und Wendt verbundene Reform begründete
für die kommenden Jahrzehnte die vielgerühmte Qualität des badischen Mittelschulwesens
, das sicher zu den besten in Deutschland zählte. Andererseits war sie
Teil jener autoritären Dominanz des Leistungsprinzips, das sich im literarischen
Spiegel nicht nur zur „Feuerzangenbowlen"-Romantik verklärt hat, sondern auch
den Typ des zerbrochenen Schülers (z.B. Hermann Hesses Unterm Rad) oder des
gescheiterten Lehrers (so Heinrich Manns Professor Unrat) hervorgebracht hat. Das
Leistungsprinzip zog seine Überzeugungskraft daraus, dass es unmittelbar zum Kern
des bürgerlichen Selbstverständnisses gehörte. Dem Gymnasium wuchs hierbei eine
Doppelrolle zu: Es sollte zum abwehrenden Damm, aber zugleich auch zur hilfreichen
Schleuse für alle jene werden, denen eine lange Schulzeit zu einem überdurchschnittlichen
Leistungswillen verholfen hat.

Die erwähnten Reformen prägten und veränderten auch das Freiburger Lyzeum.
In den Jahren 1860, 1861 und 1862 bestanden noch alle Obersextaner - wie gewohnt
- das Abitur, 1863 fiel einer durch. Zwischen 1864 und 1869 kam dann der Karlsruher
Oberschulrat Dr. Deimling regelmäßig als Abiturkommissar nach Freiburg.87
1864 ließ er noch alle 40 Bewerber bestehen. Nur eine scheinbare Nebensächlich-

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