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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 267
(PDF, 59 MB)
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dichtverse genannt hätte, jetzt aber Richtspruch waren, Prophetie und moralische
Parole: „Hoch waltet Gottes strafende Geduld/ Zu baun aus denen, die entheiligt
haben: / Ihr sollt des Tempels heilige Steine sein." Also hatte der „Lenker der
Schlachten", den wir eben noch als Schutzmacht des bedrohten Vaters auf dem „Feld
der Ehre" angerufen hatten, zu den andern gehalten, deren marokkanische Reiter unter
Hufgeprassel in wehend roten Mänteln nun hinter braunen Panzern unter wilden
Gesängen zur Merzhauser Kaserne trabten. Also: „Entheiligt" hatten wir, aber wie
konnte der Weltenbauherr uns nun als „heilige Steine" eines Tempels einzuplanen
wagen? Der Aufbau aus den Trümmern - ein Tempelbau?

1949 konnte man Obersekundaner eines Freiburger humanistischen Gymnasiums
gewesen sein, ohne von geduckten und gebrannten Lehrern zu den Zusammenbrüchen
, Umstürzen, Aufbrüchen jener Jahre einen einzigen erklärenden, helfenden
Satz gehört zu haben. In feiger Bewusstlosigkeit brachten diese Schulmänner ihr
Schäflein in den Gefilden der Antike ins Trockene. Geschichte als Fach endete damals
, und noch 1952 beim Abitur, bei der französischen Revolution und bei Bismarcks
Bündnispolitik. Wenigstens hielten wir zerlesene Grammatiken in unsern
Händen, die von Schmalz, Wagner und einem Schulmann namens Wohleb geschrieben
waren; so durfte man in seiner Mühe, auf etwas stolz sein zu dürfen, sich an
einem badischen Staatspräsidenten erbauen, der in seinem Colombischlössle und
draußen bei den davongekommenen Leuten aus dem Stegreif lateinische und griechische
Reden halten konnte. Kein Sterbenswörtchen in diesen Lehrstunden des verdrängenden
und wegschauenden Beschweigens über die Aufbauleistung der am 28.
Mai 1947 im badischen Regierungsblatt nachzulesenden Verfassung des Landes Baden
mit ihren kulturstiftenden Hoffnungssätzen und demokratischen Grundrechten,
dabei z.B. das Recht auf Arbeit und der Satz, dass Männer und Frauen „bei Wahl
und Ausübung des Berufes" gleichgestellt und gleich zu entlohnen seien. Den humanistischen
Erziehungshorizont bildete die von edler Einfalt und stiller Größe
durch waltete Antike. Unsere im französischen 20-Punktesystem ausgestellten Zeugnisse
waren von einem Direktor signiert, von dem die Fama wusste, dass seine Braut
die Antike gewesen sei. Sein humanistisches Wirken legte uns nahe, die Wahrheiten
platonisch zu behandeln und der kruden Gegenwart einen Korb zu geben. So war
man geübt im rückwärtsgewandten Höhenflug und in der Flucht ins ferne, unzerstörbar
Erbauende.

Aber da waren auch noch die Kommissare der französischen Umerziehung, die
uns Hungerleidern nicht nur die Fabel des Lafontaine von dem Raben mit dem Käse
im Schnabel beibrachten, sondern in unnachsichtigem Ton auch neue Kunde von einer
neuen Klasseneinteilung der Welt in Kulturmenschen und Barbaren: Es sei nun
unsere Sache, uns mit unseren quadratischen und schwergängigen Alemannenschädeln
über die holzhaltigen Bücher aus dem Hause Burda zu beugen, um unsere Veranlagung
zur Unkultur und die Folgen nazistischer Barbarei aus uns herauszubüf-
feln. Über uns hinweg schwinge sich leicht und elegant der rasche Geist der französischen
Sieger in die Zukunft einer neuen Rangordnung, in der die romanische
Verstandeshelle der germanischen Willensdumpfheit zu zeigen habe, wohin der Weg
aus dem Barbarentum zu den frankophonen Vorbildern einer neuen Kultur zu führen
habe. Lange trug man die von arroganter Überlegenheitspose über uns ausgegossene

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