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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 273
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agierenden Herrschafts-Mediums gemeint. Radio 1949: Das war aber auch das
Leitmedium der Alltagskultur, das sich mit einem differenzierten und anspruchsvollen
Kästchenprogramm in der technischen Beschränkung auf ein Programm eingerichtet
hatte. Hier wurden die Stimmen und Themen transportiert, die die junge Republik
repräsentierten und bewegten. Es bildet sich die akustische Physiognomie der
Zeit mit Adenauers rheinischem Zweckdeutsch, Carlo Schmids Kunstrede und der
situationssicheren Redekunst des Journalisten und Professors Theodor Heuss mit
ihrem sonor schwäbelnden Versprechen, man könne Politik und Geist und Popularität
gemeinwohlförderlich und hör-erfreulich zusammenbringen. Es präsentieren
sich die ersten verlässlichen Muster unabhängiger Berichterstattung. Der Sündenfall
des politischen Defizits der Weimarer Radiozeit und die Propagandalügnerei des
Nazimediums verblassen hinter den neuen, demokratischen Leitbildern der unabhängigen
, objektiven und ausgewogenen Radioinformation. Die BBC lässt grüßen.
Bezeichnenderweise ist es die Besatzungsmacht, die nach der diktatorischen Staatsdominanz
im Reichsrundfunk staatsferne Organisationsstrukturen gegen das Be-
herrschungs- und Einflussbegehren der Politiker durchsetzen muss.

Radio 1949 ist aber unter der Ägide des ersten Südwestfunk-Intendanten Friedrich
Bischoff vor allem eines: Kultur-Radio. Bischoff, dieser schlesische Lyriker und ingeniöse
Hörspielpionier der Jahre 1927-33, den einst ein Alfred Kerr begeistert gegen
dumpfe Kritiker verteidigt hatte, war von den Nazis eingesperrt und ausgegrenzt worden
. Als ihn die Franzosen rufen, rumpelt er hungrig im Kohlezug von Bayern nach
Baden-Baden, prägt dann mit seinem Anspruch und seiner Ausstrahlung das Klima
und das Profil des Senders. Schon am vierten Sendetag strahlt der Südwestfunk Jean
Cocteaus Hörspiel Die menschliche Stimme aus - bezeichnend für Bischoffs Programmatik
, den Rundfunk durch Dichtung, Hörspiel, Musik und Wissenschaft zu
einer Stimme der Menschlichkeit zu machen, die dem geretteten Alten und dem vorandrängenden
Neuen verpflichtet ist. Da finden sich also nicht als marginale Bildungstupfer
, sondern als tragende Schwerpunkte Lesungen mit Gedichten von Werner
Bergengruen, Arno Holz, Max Hermann Neisse, Hermann Hesse und Georg
Britting. Da präsentiert man Texte von Karl Jaspers, Ricarda Huch, Hermann Hesse,
Oscar Wilde, Ernest Hemingway, da sind französische Werke von Voltaire, Descartes,
Moliere, Rabelais, Bergson, Gide, Anouilh und Sartre zu hören, aber auch Alfred
Döblin, Georg Kaiser, Günther Weisenborn, Reinhold Schneider, Carl Zuckmayer und
Max Rychner. Literatur- und kunsttheoretischen Themen galt der Vorläufer des späteren
Nachtstudios von Horst Krüger mit dem sprechenden Titel Einkehr im Geist.

Diese natürlich auch dem französischen Kulturverständnis mit seiner literarischessayistischen
Prägung zu verdankende Grundfarbe des Radioprogramms wurde ergänzt
durch die von Heinrich Strobel und Hans Rosbaud glanzvoll aufgebaute und
gepflegte Musikkultur des Senders. Das Radio war damals der wichtigste und engagierteste
Konzert-Veranstalter. Schon im Februar 1946 wurde das Sinfonieorchester
des Südwestfunks gebildet, das allein ab April 1947 bis 1956 61 Kompositionsaufträge
vergab, z. B. an Wolfgang Fortner, Werner Egk, Hans Werner Henze oder Boris
Blacher. Paul Hindemith und Arthur Honegger dirigierten 1948 und 49 eigene Kompositionen
, und Igor Strawinskys erster Deutschlandauftritt nach dem Kriege fand in
Baden-Baden vor den Südwestfunkmikrophonen statt.

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