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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
120.2001
Seite: 278
(PDF, 59 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2001/0278
gramm zu den Zungenschlägen bürgerlicher Trostnachtigallen, die man doch auch
in den Gedichtkästchen dieses Blattes findet und die eben so enden: „Ich fühlte es:
Gott meint auch mich ... Und mit dem Strom, der mächtig rauscht, fließt meine
Sorge leis davon". Nein, Hans Henny Jahn, dieser Emigrant, Hormonforscher und
Orgelbauer setzt dem postfaschistisch irritierten Bürgertum keinen Literaturkatheter,
durch den „die Sorge leis davon" fließen könnte.

Es muss Proteststürme gegeben haben gegen diese Leseaufgabe, denn die Redaktion
ergreift das Wort und zeigt ihr antirestauratives Engagement. Jahnns episches
Kunstwerk verlange „eine schon meditative Lektüre, um nicht zu sagen eine Art poetischen
Studiums." In dem Augenblick, in dem „die entfugte Welt sich mühsam in
die alten Fugen zurückbegibt", müssten die Dichter „die Überlebenden befragen, ob
es nicht besser sei, statt zurückzufugen ... unter neuen Signalen des Gewissens" mit
der Sinnesänderung zu beginnen. Jahnns Stimme lasse keinen Raum „für das Glück
im Winkel", schreibt der zur Publikumsbeschimpfung mannhaft entschlossene Heinrich
Weis auf dieser Feuilleton-Seite, die dem Leser zugleich ein wehmütig-behagliches
Heimatstück von Wilhelm Hausenstein beschert mit dem Satz „Bedächtigen
Fußes wandelten wir zwischen den alten Häusern". Darunter aber auch das Kleingedruckte
mit den Meldungen der Kultur-Rundschau: Professor Gieseking in New
York festgenommen und ausgewiesen. - In Chicago haben Arturo Toscanini, Fritz
Busch, Arthur Rubinstein und andere gegen ein Gastspiel Wilhelm Furtwänglers mit
einer Boykottandrohung Einspruch erhoben - außerhalb der deutschen Grenzen litt
man eben nicht an der bundesrepublikanischen Vergesslichkeit. - Auch das war
nichts für's vergessliche Schallplattenglück im deutschen Winkel.

Die Badische Zeitung des Jahres 1949 war nicht missionarisch - sie hat dem
Jahnn-Brocken einen verdaulicheren Kriminalroman folgen lassen. Aber sie hielt bei
der intensiven Präsentation literarischer Texte ihren offenen und unprovinziellen
Kurs, rezensierte ohne progressiven Eifer, aber aufklärend meinungsdeutlich, agierte
pluralistisch, aber unopportunistisch mit kräftigem, kulturpolitischem Engagement.
Dafür einige Beispiele.

Das Blatt bot in einem heute nicht mehr vorstellbaren Maße seinen in der Regel
mit schmalem Bücherbudget ausgestatteten Lesern literarische Texte an. Kaum
ältere, wie von Theodor Storni, mehr zeitnähere wie von Anette Kolb, Manfred
Hausmann, Felix Timmermanns, Friedrich Schnack, Wilhelm Hausenstein, Eckart
Peterich, Horst Krüger, Nikolas Benckiser. Neuere Namen waren Georg Trakl, Karl
Krolow, Heinz Piontek, Georg Britting, Rudolf Hagelstange und Hans Egon Holthusen
. Deutlich ist der ausländische Akzent mit Anton Tschechow, Graham Green,
Thornton Wilder, Andre Gide, Jean Giono, Charles Ferdinand Ramuz, Paul Claudel,
bis hin zu dem von Georg von der Vring übertragenen Verlaine.

Die Rezensionen pflegen mit breitem Federstrich Humanistisches von Erasmus,
Hutten, Luther, Jakob Burckhardt, erinnern in großem Überblick an Russisches von
Dostojewski bis Menschikow und bearbeiten in bildungsbeflissener Breite die
Bücherfracht des Goethejahrs. Überhaupt: Goethen und „Besinnung auf Goethe"
finden wir allenthalben, von Gert Tellenbachs Rektoratsrede bis zum ausführlichen
Referat über Ortega y Gassets Hamburger Rede gegen den Goethekult und gegen
Kulturpessimismus in Europa mit dem Satz: „Unser Haus ist eingestürzt, ein herr-

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