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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 91
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2003/0091
Aktuelle Forschungsergebnisse zu frühneuzeitlichen Ehrenhändeln lassen eine familien-
und sozialpsychologische Deutung dieser kriminellen Karriere zu. Johann Ludwig Morell war
durch seine abenteuerlichen Geschäftspraktiken und seine vielfältigen Versuche, sich durch
Prozesse seinen Verpflichtungen zu entziehen, in seinem Status angreifbar geworden. Der harte
und gewaltbetonte Ehrenkodex der Zeit verlangte auch vom Sohn, jede Attacke der Umgebung
auf die Familienehre abzuwehren. Der Sohn gab den sozialen Druck durch die stetige Bereitschaft
, von Degen und Pistole Gebrauch zu machen, durch Hausfriedensbrüche und andere
Straftaten an seine Umgebung zurück. Dabei hatte er als Sohn eines Wirtschaftskriminellen sozial
wie wirtschaftlich längst verloren; er betrieb nur noch „agonale Kommunikation" (Rainer
Walz) mit seiner sozialen Umgebung bzw. den Oberen der Stadt.68 Seine unbezahlten Schulden
offenbaren den kläglichen Vermögens stand unbedeutender Krämer wie des Nikolaus Sarwey
in Freiburg. Als Johann Ludwig Morell zusammen mit seiner Frau im August 1636 an der
Pest starb, war die Ära Morell in Freiburg schon lange abgelaufen.

5. Schluss

Savoyer in Süddeutschland erreichten, falls ihnen die Einbürgerung gelang, vor dem Dreißigjährigen
Krieg oft eine herausragende wirtschaftliche und soziale Stellung, allen Anfeindungen
zum Trotz. An führende internationale Handelshäuser wie die Welser, die Höchstetter oder
Fugger reichten sie bei weitem nicht heran, aber ihnen gelang oft erstaunlich rasch der Aufstieg
in die ratsfähigen Geschlechter mittlerer und kleinerer Städte. Da die Einbürgerung oft
mit der Auflage verbunden war, eine Einheimische zu heiraten, die meist eine Witwe oder die
Tochter eines Geschäftspartners war, zeigt sich in den Städten ein deutlich am deutschen Heiratsmarkt
orientiertes Muster sozialer Verflechtung. Gleichwohl unterhielten die Savoyer sehr
weit gespannte, familiäre und geschäftliche Beziehungen innerhalb ihrer Landsmannschaft.
Die finanzielle Bedeutung des Handels unter Landsleuten bzw. savoyischen Verwandten kann
nicht einheitlich beurteilt werden. Fels und Morell transferierten untereinander illegal gewaltige
Summen, während sich Maurice Montfort in Riegel in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts
als Händler wohl eher an den regionalen Gegebenheiten als an verwandtschaftlichen Beziehungen
orientierte. Savoyische Einwanderung lässt sich somit als doppelte Integration in
die Herkunfts- und Zielregionen charakterisieren, bei unterschiedlichen Akzentsetzungen innerhalb
der einzelnen Clans und situativ verschiedenen Identitätsbildungen der Akteure.69 Damit
hebt sich diese Immigration deutlich von den ethnisch und konfessionell begründeten Fragmentierungen
in Einwandererländern der Gegenwart ab.

Statt diesen Beitrag mit letztlich willkürlich ausgewählten Stammtafeln zu gestalten, ging
es darum zu zeigen, welche Faktoren savoyische Familienschicksale am Oberrhein geprägt

68 Zu diesem breit bearbeiteten Forschungsfeld siehe Martin Dinges: Der Maurermeister und der Friedensrichter.
Geld, Ehre und soziale Kontrolle im Paris des 18. Jahrhunderts (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts
für Geschichte 105). Göttingen 1994; Verletzte Ehre. Ehrkonflikte in Gesellschaften des Mittelalters und der
Frühen Neuzeit. Hg. von Gerd Schwerhoff und Klaus Schreiner (Norm und Struktur 5). Köln u.a. 1995; De-
vianz, Widerstand und Herrschaftspraxis in der Vormoderne. Studien zu Konflikten im südwestdeutschen Raum
(14.-18. Jahrhundert). Hg. von Mark Häberlein (Konflikte und Kultur - Historische Perspektiven 2). Konstanz
1999, darin u.a.: Michaela Schmölz-Häberlein: Ehrverletzung als Strategie. Zum sozialen Kontext von Injurien
in der badischen Kleinstadt Emmendingen 1650-1800, S. 137-163, Zitat Rainer Walz S. 162.

69 Nach Fontaine (wie Anm. 4), S. 172, lebte der "regulär pedlar", der Heimat und Fremde durch seinen Handel
verband, „a life of dual loyalties", was sich an der Stiftertätigkeit und an der Veröffentlichung von Heiraten in
beiden Regionen zeige. Er habe eine „double identity" als geachteter Bürger in der Heimat und als misstrauisch
beäugter Fremdling zu bewältigen (ebd., S. 165). Dass landsmannschaftliche Netzwerke für die „merchant ped-
lars" in der Fremde bedeutsam für den Erfolg waren, betont sie nochmals ebd., S. 93; für Handwerk und Unterschichten
stellt Poitrineau (wie Anm. 6), S. 225, dasselbe fest. Siehe auch Lawrence Fontaine: Selbstdarstellung
und Gruppenportraits. Die sozialen Identitäten der Wanderhändler. In: Historische Anthropologie 8, 2000,
S. 344-357.

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