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Abb. I Die ehemalige Löffelschmiede des Anton Feser am Ravennabach, ca. 1900
(Archiv Verein Heimatpfad Hochschwarzwald e.V.)
schon eher willkommen. Leider findet sich in den eingesehenen Quellen kein Hinweis auf Mitarbeit
im Haus oder auf dem Bauernhof eines Gastgebers. Vermutlich wurde das als selbstverständlich
angesehen.13 Sachsse/Tennstedt schreiben jedenfalls über den bei ihnen als „Reihenpflege
" bezeichneten Kehr, dass die Armen in einer Art Zwangsdienstverhältnis gezwungen
waren, bei ihren einzelnen Unterstützern zu arbeiten. Sie erwähnen, dass solch eine Form
der Armenunterstützung im 19. Jahrhundert vor allem in Preußen, Württemberg, im Großherzogtum
Hessen, Bayern und Sachsen verbreitet war.14 Im Großherzogtum Baden existierte in
manchen Gemeinden jedoch ebenfalls diese Form der Armenpflege. In Baden gab es für den
Kehr noch die weiteren Begriffe „Umhalten" bzw. „Reihe-um-Verpflegung".15 Die vielen verschiedenen
Begriffe für ein und denselben Sachverhalt zeigen nur, dass sowohl in vielen verschiedenen
Gegenden Badens als auch in unterschiedlichen anderen Ländern in Deutschland
solch eine Form der Armenunterstützung praktiziert wurde. Wie der badische Staat zum Kehr
stand, soll später anhand des „Gärtner-Beispiels" erläutert werden.
Neben einzelnen Personen und Müttern mit unehelichen Kindern konnte auch einer kompletten
Familie der Kehr drohen. Der Löffelschmied Anton Feser (1802-1860) war mit seiner
Familie in die größte Armut geraten. Er hatte seinen Besitz am Ravennabach, bestehend aus
Haus, Wohnmühle, Löffelschmiede und Grundstück, durch eine Zwangsversteigerung im De-
» GAB 578.
14 Sachsse/Tennstedt (wie Anm. 3), S. 251.
15 Arwed Emminghaus: Armenwesen und Armengesetzgebung im Großherzogtum Baden. In: Das Armenwesen
und die Armengesetzgebung in europäischen Staaten. Hg. von Arwed Emminghaus. Berlin 1870, S. 380-408,
hier S. 387.
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