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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 117
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ganisation eines Schwarzwälder Wehrbeitrages muß wohl eher als gescheitert betrachtet werden
. Die erhalten gebliebenen Akten sprechen eine deutliche Sprache: Trotz strafbewehrter
Anordnungen gelang es Dortu nicht, eine funktionstüchtige Volkswehr aufzustellen. Die zahlreichen
Urlaubsanträge und Krankmeldungen, kurz: die Drückebergereien vom Dienste in der
Volkswehr sind Belege hierfür.24 Jedenfalls hat er sich wohl am 26. Juni, kurz vor Beginn des
Angriffes der Operationsarmee gegen Gernsbach, unter Hinterlassung eines „administrativen
Chaos"25 nach Rastatt abgesetzt. Über weitere militärische Heldentaten ist nichts bekannt; anderslautende
Behauptungen, so beispielsweise bei Haeckel,26 der, leider ohne explizite Quellennennung
, eher tendenziöse Zeitberichte zu einem neuen mixtum compositum zusammengießt
, können keinen aussagefähigen Wahrheitsgehalt beanspruchen.

Dortus Feld war die politische, agitatorische Rede; hier scheint er eine beachtliche Wirksamkeit
erzielt und über ein gewisses Charisma verfügt zu haben, wollen wir den zumeist parteiischen
Aussagen Glauben schenken. Schriftliche Zeugnisse hat er nicht hinterlassen, jedenfalls
keine, die ihn als politischen Denker auswiesen. Statt dessen wird immer wieder auf seine
körperliche Erscheinung und Statur hingewiesen, was ein Beleg für seinen persönlichen Stellenwert
bei der Masse der revolutionären Mitläufer sein könnte. Gutgläubigkeit und Glaube an
seine Mission werden wir zumindest attestieren dürfen, hat sie doch bei ihm zu „einem wahnsinnigen
Fanatismus und grenzenloser Selbstüberschätzung"27 geführt, wie sein nur als Textmontage
überlieferter , letzter' Brief an seine Eltern erkennen lässt.28 Dieser revolutionäre Impetus
speiste sich nicht zuletzt aus seiner Erziehung im linksliberalen Elternhause, das dem
einzigen Kinde nicht nur finanziellen Rückhalt, sondern anscheinend auch unbedingte Infalli-
bilität zubilligte. Ein weiterer Quell seiner zunehmenden Radikalisierung fand sich in der Heidelberger
Burschenschaft „(Alte) Allemannia",29 von der sich 1845 der „Neckarbund" abspaltete
, der schon in seiner äußeren Aufmachung mit ,Heckerhut' statt der Studentenmütze ein
deutliches Zeichen der Abkehr von herrschenden Denkmeinungen setzte. Als Sohn eines Je-
nenser Urburschenschafters hatte er den Weg zur Korporation gefunden, als radikalisierter Student
der Rechtswissenschaften unter dem Einfluss Gustav Struves und seines Freundes Schlöf-
fel (1828-1849), eines ,notorischen Unruhestifters' in Heidelberg mit gleicher Sozialisation
durch das Elternhaus,30 beendete er sein Studium in seiner märkischen Heimat.

Offiziell dem Vergessen anheim gegeben, nahmen sich seines Nachruhmes vornehmlich die
Verlierer der Erhebung an: In Erinnerungswerken an die Tage des Aufstandes und Darstellungen
des Revolutionsgeschehens erstrahlt der gleichsam zum jugendlichen Helden Geschaffene
in hellstem Glänze.31 Später erinnerte sich die junge Republik eher zaghaft eines ihrer vermeintlichen
Wegbereiter; der umfassendste Beitrag aus dieser Zeit stammt aus der Feder des

24 GLA,65/11397, f 25a, 55 (Bericht Dortus betrifft die Zustände in Gemsbach vom 10.VII.1849).

25 Wolf (wie Anm. 21), S. 223.

26 Haeckel (wie Anm. 1), S. 47: „Er zeichnete sich bei jeder Gelegenheit und besonders auf dem Schlachtfeld bei
Rastatt und Freiburg vom 26. bis 29. Juni durch Mut, Tatkraft und Beharrlichkeit aus."

27 Denkwürdigkeiten aus dem Leben des General-Feldmarschalls Kriegsminister Grafen von Roon. Sammlung von
Briefen, Schriftstücken und Erinnerungen, 1. Bd. Breslau 21892, S. 237.

28 Erstmals bei W. B. (wie Anm. 8), Anhang.

29 Siehe den Artikel bei Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Im Auftrag der
Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung hrsg. von Christian Hünemörder, Bd. I: Politiker,
Teilbd. 1. Heidelberg 1996, S. 217 f.

30 Sein Vater Friedrich Wilhelm (1800-1870), Fabrikant in Landeshut/Schlesien, später Abgeordneter der Deutschen
Nationalversammlung, war wegen seiner radikal demokratischen Gesinnung in die Mühlen der Justiz geraten
; vgl. Kurt Wernicke: Die Spuren eines Revolutionärs. Revolutionär Gustav Adolph Schlöffel (1828—
1849). In: Berlinische Monatsschrift Heft 6, 1999, S. 53-59. Das Grab des im Gefecht bei Waghäusel am
21. Juni 1849 Gefallenen auf dem Heidelberger Bergfriedhofe ist noch erhalten.

31 Vgl. z.B. die Schrift seines Freundes Gustav Rasch (ca. 1820-1878) in Gustav Struve/Gustav Rasch: Zwölf
Streiter der Revolution. Berlin 1867, S. 198-216, bei dem Dortu während seines Aufenthaltes in Paris im Frühjahr
1849 logierte, oder Beckers, seines Generals. Charakterisierung in Johann Philipp Becker, Christian Es-
selen: Geschichte der süddeutschen Mai-Revolution des Jahres 1849. Genf 1849.

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