Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 178
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Wie Fanny Moser befand sich also auch Olga Fajans im Status der geduldeten Hörerin, in
dem es ihr aber möglich war, genauso wie ihre Kommilitonen sämtliche Kenntnisse zu erwerben
, die als Voraussetzung für die Physikumsprüfung galten. Diese wurde im Normalfall nach
dem vierten Semester abgelegt - von den Männern. Frauen waren nicht zugelassen, da die Immatrikulation
an einer deutschen Universität als unumstößliche Grundvoraussetzung sowohl
für das Physikum als auch für das Staatsexamen galt.52 Olga Fajans wollte sich mit dieser Ungleichbehandlung
nicht abfinden und wandte sich am 4. Januar 1898 an die Regierung in
Karlsruhe mit der Bitte, sie zur ärztlichen Vorprüfung zuzulassen. Dort stieß sie im zuständigen
Innenministerium auf offene Ohren, wo man die widersprüchliche Handhabung der
Frauenfrage an den Universitäten nicht länger hinnehmen wollte: Wir unsererseits sind (...)
nicht abgeneigt, der Zulassung der Frauen zu den ärztlichen Prüfungen und der Erteilung der
Approbation als Arzt an dieselben für diejenigen Fälle das Wort zu reden, in welchen sie hinsichtlich
ihrer schul- und fachwissenschaftlichen Ausbildung den durch die Prüfungsordnungen
vorgeschriebenen Anforderungen entsprechen. Der jetzige Zustand, (...) wonach den
Frauen wohl der gastweise Besuch medizinischer Vorlesungen und die gastweise Teilnahme an
den praktischen Uebungen eingeräumt, dagegen, auch wenn sie das Reifezeugnis eines humanistischen
Gymnasiums besitzen, die (...) zur Ablegung dieser Vorprüfung und späterhin der
Hauptprüfung erforderliche Immatrikulation versagt wird, enthält unseres Erachtens einen
schwer zu lösenden Widerspruch und eine nicht zu verkennende Unbilligkeit. Auch das formal
zuständige Reichsamt des Innern in Berlin habe bereits signalisiert, dass künftig Männern wie
Frauen die Möglichkeit offen stehen solle, nach entsprechender Vorbildung die staatlichen
Medizin-Examina abzulegen - allerdings nur dann, wenn der Zulassung zur Immatrikulation
lediglich formelle Gründe entgegengestanden haben.53 Damit war also die Zugehörigkeit zum
weiblichen Geschlecht in den Augen des Innenministers nur eine formale Angelegenheit, welcher
hinsichtlich der medizinischen Prüfungen keine Bedeutung mehr zukommen sollte.
Tatsächlich fielen die Schranken per Bundesratsbeschluss im folgenden Jahr, und Frauen erhielten
endlich die Möglichkeit, sich als approbierte Ärztin niederzulassen.54 Das Ersuchen der
Olga Fajans war erfolgreich, und sie konnte sich als erste Frau in Deutschland einem staatlichen
(Zwischen-)Examen unterziehen.55 Am 14. Juli 1899 entrichtete sie in der Quästur die
übliche Gebühr von 36 Mark, bestand in den folgenden Wochen sechs Einzelprüfungen und
konnte am 3. September ihr Zeugnis entgegennehmen.56

Anschließend verließ sie Freiburg, um in Breslau, wo ihre Schwester lebte, weiterzustu-
dieren. Wie schon erwähnt, herrschte dort gegenüber studierenden Frauen eine andere Atmosphäre
. In der Medizin waren es vor allem die Assistenten, die ihre neue Kommilitonin als
Konkurrentin wahrnahmen und alles daran setzten, ihre Ausbildung zu erschweren. Als Beispiel
führt sie in ihrer Autobiografle einen Assistenzarzt in der Gynäkologie an, der seine
Patientinnen grundsätzlich nur hinterm Vorhang behandelte und sie, die lernwillige Famula,
davor stehen ließ. Die Begründung für sein Verhalten war abenteuerlich: Die Patientinnen
würden sich vor ihr genieren, und es sei seine Aufgabe, sie zu schützen!57 Trotz derartiger

52 Vgl. Großh. Ministerium des Innern an Großh. Ministerium der Justiz, des Kultus und Unterrichts, 28.2.1898.
In: Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA) 235/7440.

53 Ebd.

54 Bislang hatte im deutschen Kaiserreich für Medizinerinnen, die im Ausland studiert hatten, nur die Möglichkeit
bestanden, sich als Kurpfuscherin zu verdingen. Die deutsche Gewerbeordnung gewährte Kurierfreiheit, weshalb
den Frauen dies nicht untersagt werden konnte. Vgl. Silke Mehrwald: Schaffet, daß wir Doktorinnen der
Medizin erhalten! In: Ariadne 21, 1992, S. 20-23, hier S. 21.

55 Ebenfalls im Jahr 1899 konnte auch Hermine Edenhuizen in Halle ihr Physikum ablegen. Vgl. Kristin Hoesch:
Ärztinnen für Frauen. Kliniken in Berlin 1877-1914. Stuttgart, Weimar 1995, S. 163.

56 Olga Fajans bestand ihre Prüfungen mit folgenden Zensuren: In Anatomie bekam sie eine Drei, in Physiologie,
Physik, Chemie und Zoologie eine Zwei und in Botanik eine Eins. Vgl. UAF, B 37/506.

57 Vgl. Hempel (wie Anm. 3), S. 85.

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