Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
122.2003
Seite: 246
(PDF, 58 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2003/0246
Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP am 15. September 1935, also nur wenige Tage nach
Schachts Erlass, verabschiedeten „Rassengesetze" stellten die Weichen. Dies war im übrigen
auch Schacht klar. Noch einmal versuchte er, durch Anpassung an die Parteilinie seine Macht
zu retten, indem er sich öffentlich hinter die „Rassengesetze" stellte. Vermutlich hoffte er, auf
diese Weise intern weiter mäßigend wirken zu können. Damit überschätzte er indessen seine
Stellung und seine Möglichkeiten. Zwar konnte er noch einige Erlasse gegen Einzelaktionen
herausgeben, sie hatten aber keine besondere Wirkung mehr. Auch verlor er zunehmend Hitlers
Unterstützung, obwohl er immer stärker die nationalsozialistische Verdrängungspolitik gegenüber
den Juden mittrug. Da ihm darüber hinaus in anderen Bereichen Kompetenzen entzogen
wurden, bat er am 11. August 1937 Hitler um seine Entlassung als Wirtschaftsminister,
am 27. November dieses Jahres schied er dann aus seinem Amt, blieb allerdings noch Reichsbankpräsident
.25

Zum Zeitpunkt der Vernehmungen war somit Schachts Einfluss bereits weitgehend gesunken
, die Politik gegenüber den Juden hatte sich radikalisiert. Dennoch dürfte der Hinweis auf
die damalige Rechtslage für Stengler nicht folgenlos geblieben sein, selbst wenn es nach außen
zunächst nicht den Anschein hatte. Der Untersuchungsführer bei der Staatsanwaltschaft sprach
in seinem Bericht vom 13. Juni 1938 die begründete Annahme aus, dass es sich bei den
Bloch 'sehen Wertpapiergeschäften um einen Komplex wohlüberlegter und entsprechend eingefädelter
Devisenschiebungen handelt. Da Stengler jedoch seine Mitwisserschaft in Abrede
stelle und Bloch flüchtig sei, könne die Schuld des Sparkassenleiters nicht eindeutig festgestellt
werden. Eine Randbemerkung an dem Schriftstück zweifelte dieses Ergebnis an.26 Das
Verfahren wurde weitergeführt.

In seiner Entgegnung auf die offizielle Anschuldigungsschrift vom 10. November 1938 legte
Erwin Stengler am 12. Dezember weitere Einzelheiten der geschäftlichen und privaten Beziehungen
zu Max Bloch dar und betonte dessen Verdienste um den Aufschwung der Elzacher
Sparkasse, er habe auch für andere wichtige Kunden, darunter für einen führenden Elzacher
Nationalsozialisten, gebürgt. Da Stengler die Identität des Peter Beck nicht weiter vertuschen
konnte - auch wenn er immer noch vorgab, eine solche Person sei einmal in der Sparkasse erschienen
-, änderte er seine Verteidigungsstrategie ein wenig. Nach wie vor beharrte er darauf,
von den Absichten Blochs nichts gewusst zu haben. Neu brachte er ins Spiel, dass er sich Bloch
gegenüber in gewisser Weise verpflichtet gefühlt habe, weil ihm dieser sein Auto überlassen,
er damit einen Unfall verursacht und Bloch ihm die Reparaturkosten erlassen habe. Obwohl
ihm dies, gerade deshalb, weil Bloch Jude war, immer peinlicher wurde, habe er vielleicht aus
diesem Grund nicht alles so streng geprüft, wie es korrekt gewesen wäre. Während er hier versuchte
, sein Verhalten als eine kleine menschliche Schwäche erscheinen zu lassen, fernab
jeder echten Hilfsbereitschaft für Bloch, verstärkte er zugleich seine Argumentation, die die
Reichspolitik gegenüber Juden in der Wirtschaft geltend machte. Seinen früheren Ausführungen
fügte er hinzu, dass sich alle Fälle vor Inkrafttreten der Nürnberger Gesetze ereignet hätten
, bis zu denen in hohen und höchsten Staatsstellen und auch in den Sparkassen eine Reihe
von Nichtariern (Volljuden und Halbjuden) tätig war. Ebenso betonte er noch nachdrücklicher,
dass die devisenrechtlichen Bestimmungen damals nicht so eindeutig wie später festgelegt gewesen
seien. Erneut wies er auf seine Verdienste um die Geschäftsentwicklung der Sparkasse
und auf seinen Einsatz für Partei und Staat selbst während der Zeit seiner Dienstenthebung hin.
So habe er nicht nur seine fliegerischen Kenntnisse verbessert, sondern auch sechs Wochen
lang Rekruten ausgebildet. In Elzach sei er in der Stadtkasse als Aushilfsarbeiter tätig geworden
und habe dort ein neues Buchungssystem eingeführt.27

25 Fischer (wie Anm. 20), hier besonders S. 174-209.

26 KreisAEm, Elzach XII/1, beigeheftet: Handakten.

27 KreisAEm, Elzach XII/1. Wegen der Fliegerübungen in Hornberg (Post Schwäbisch-Gmünd) und dem aktiven
Wehrdienst bei der Flak in Heilbronn musste die Post an Stengler 1938 häufig umgeleitet werden (Elzach XII/2).

246


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2003/0246