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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 145
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Sender gehört haben.35 Die alliierte Landung war in Südbaden ebenfalls Gegenstand des
Hörinteresses und schlug sich in entsprechenden Verfahren nieder.36 Dagegen war der Holocaust
kein Thema, zumindest lassen sich diesbezüglich keine Rundfunkverfahren nachweisen.
Der Befund überrascht insofern, als es bereits im Dezember 1942 und im Januar 1943 eine Informationskampagne
der BBC zur nationalsozialistischen Vernichtungspolitik gegeben hatte.37
Es wurde immer schon die Vermutung geäußert, „dass sich jemand dann entschloss, einen
ausländischen Sender abzuhören, wenn er bereits in einer gewissen Weise regimekritisch eingestellt
war".38 Diese These kann so durch die ausgewerteten Verfahrensakten nicht bestätigt
werden, zu unterschiedlich war die Zusammensetzung der illegalen Hörerschaft. Neben - soweit
nachweisbar - politisch als indifferent zu bewertenden Hörern stellten auch Anhänger des
Regimes und selbst NSDAP-Mitglieder „Feindsender" ein. Es befanden sich jedoch unter den
Abhörern ebenfalls Regimegegner, wobei diese verständlicherweise die anti-nazistische Motivation
ihres Abhörens zu verbergen suchten. Im überschaubaren südbadischen Sondergerichtsbezirk
gelang das nur bedingt, zumal einige des Abhörens Beschuldigte bereits politisch
aufgefallen oder als Regimegegner bekannt waren. So etwa der Schlosser Ludwig R., der als
Gegner des nationalsozialistischen Staates bezeichnet wurde, der ein übel beleumundeter
Mensch sei, der nicht aus bloßer Neugier, sondern staatsablehnender Einstellung heraus gehandelt
hat:

Er war früher Anhänger der KPD. Vom 8.7.1933 bis 20.12.1933 war er im Arbeitslager
Ankenbuk [sie!] in Schutzhaft. Vom 18.10. 1935 bis 25.3.1936 wurde er wegen staatsfeindlichen
Verhaltens erneut in Schutzhaft genommen. Wegen der Zugehörigkeit seines
Sohnes Paul zur SS. herrschte in der Familie ständig Streit?9

Bei solchen Angeklagten drohte im Falle der Verurteilung nicht nur ein erhöhtes Strafmaß,
sondern grundsätzlich die Abgabe des Verfahrens an den Volksgerichtshof. Sobald die Abhö-
rer als politisch vorbelastet galten, das Abhören gemeinschaftlich erfolgte und den Anschein
des organisierten Widerstands erweckte, wurden die Ermittlungsakten dem Oberreichsanwalt
beim Volksgerichtshof vorgelegt. Dies drohte insbesondere, wenn Handlungen oder Äußerungsdelikte
hinzukamen, die als „Vorbereitung zum Hochverrat", „Feindbegünstigung" oder
„Wehrkraftzersetzung" gewertet wurden. Gerade die Verfolgung des Delikts der „Wehrkraftzersetzung
" blieb nach dem militärischen Desaster von Stalingrad per Erlass vom 29. Januar
1943 ausdrücklich dem Volksgerichtshof vorbehalten.40 Die Abgabe von entsprechenden
Rundfunkverfahren sind beim Sondergericht Freiburg in drei Fällen nachweisbar. Dies betraf
im nachfolgenden Fall die beiden Hilfsarbeiter Franz O. und Karl D.:

Da es sich sowohl bei O. wie auch bei D. um alte Kommunisten handelt, von denen insbesondere
O. auch in politischer Hinsicht erheblich vorbestraft ist, dürfte bezüglich des
gemeinsamen Abhörens der Londoner Nachrichten und der sich anschließenden Bespre-

35 Vgl. Ralis (wie Anm. 25), S. 146.

36 Vgl. etwa die Verfahren StAF, A47/1-2090-2093 und A47/1-2161.

37 Am 17.12.1942 gaben die Alliierten eine gemeinsame Erklärung zur NS-Vernichtungspolitik ab, die nachfolgend
u. a. über den Europadienst der BBC verbreitet wurde; vgl. Richard Breitman: Staatsgeheimnisse. Die
Verbrechen der Nazis - von den Alliierten toleriert. München 1999, S. 211-213; vgl. ebenso David Bankier:
The Germans and the Final Solution: public opinion under Nazism. Oxford 1992, S. 113. Im Deutschen Rundfunkarchiv
Frankfurt ist ein achtminütiger Mitschnitt einer BBC-Sendung vom 24.12.1942 erhalten (DRA,
Band-Nr. 78 U 3631/10); für den Hinweis danke ich Frau Stephanie Seul.

38 So die These bei Kerstin Kunz: Heimtückefälle vor dem Sondergericht Bielefeld 1941-1945. In: Gisela Die-
wald-Kerkmann/Kerstin Kunz/Andreas Knobelsdorf: Vor braunen Richtern. Die Verfolgung von Widerstandshandlungen
, Resistenz und sogenannter Heimtücke durch die Justiz in Bielefeld 1933-1945. Bielefeld
1992, S. 127-195, hier S. 172.

39 Urteil des Sondergerichts Freiburg vom 21.10.1943; StAF, A47/1-1678.
4') Vgl. RGBl. 1943 I, S. 76.

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