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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 155
(PDF, 49 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0155
ahnden waren. Der Weiterverbreitungsparagraf sah generell eine Strafverschärfung vor, wenn
die weiterverbreiteten Nachrichten ausländischer Sender geeignet seien, die Widerstandskraft
des deutschen Volkes zu gefährden. In „besonders schweren Fällen" konnte sogar die Todesstrafe
verhängt werden. Mit dieser bewusst vage gehaltenen Formulierung war jeglicher Auslegung
und Sanktionshärte Tür und Tor geöffnet. Ein Beispiel für eine entsprechende Interpretation
gab das Sondergericht Freiburg anlässlich einer Verhandlung gegen zwei Angeklagte,
denen vorgeworfen wurde, die Meldung weitergegeben zu haben, wonach im Osten große Teile
der deutschen Wehrmacht eingeschlossen seien und es dort ein zweites Stalingrad gäbe. Im
Urteil heißt es dazu:

Mit diesen Handlungen haben sowohl der Angeklagte M., der die abgehörte Meldung der
Angeklagten E. weiter erzählte, als auch die Angeklagte E., die die Nachricht wiederum
ihrer Tochter mitteilte, objektiv den Tatbestand des § 2 der Verordnung über außerordentliche
Rundfunkmaßnahmen vom 1.9.1939 (RGBl. IS. 1683) erfüllt, der mit Zuchthaus und
in besonders schweren Fällen mit dem Tode bestraft, wer Nachrichten ausländischer Sender
, die geeignet sind, die Widerstandskraft des deutschen Volkes zu gefährden, vorsätzlich
verbreitet. Daß die Angeklagten die Nachricht jeweils nur einer Person mitgeteilt haben,
hindert nicht, trotzdem hierin eine , Verbreitung' zu erblicken. Nach dem Zwecke des Gesetzes
, jedes Weiterwandern und Umsichgreifen einer einmal in Deutschland eingedrungenen
feindlichen Nachricht zu unterbinden, genügt auch die bloße Mitteilung an Einzelpersonen
. Daß eine Meldung über den Einschluß und die bevorstehende Vernichtung
großer Teile der deutschen Wehrmacht, wobei ausdrücklich von einem sich anbahnenden
2. Stalingrad die Rede ist, die Widerstandskraft unseres Volkes zu gefährden geeignet ist,
indem sie manche Volksgenossen wankelmütig machen können, liegt auf der Hand.10

Zur Bewertung einer Nachricht, ob sie im Sinne des § 2 geeignet sei, die Widerstandskraft
des deutschen Volkes zu gefährden, bedurfte es jedoch nicht nur der Feststellung des Inhalts
der weiterverbreiteten Meldung. Es war weiterhin nachzuweisen, dass die verbreitete Nachricht
tatsächlich dem ausländischen Rundfunk entstammte. Holten sich die Richter anfänglich
in Zweifelsfällen entsprechende Auskünfte beim „Sonderdienst Seehaus", der hierüber Bescheide
für die Justiz erteilen durfte, so fielen die richterlichen Auslegungen zusehends pauschaler
aus, auch was die Inhalte betrifft.71 So führte das Sondergericht Freiburg in einem diesbezüglichen
Fall aus, wenn auch der Wortlaut der verbreiteten Nachrichten im Einzelnen nicht
festzustellen war, so ergibt sich doch daraus, daß die Schweizer Sender den alliierten und auch
den russischen Heeresbericht durchgeben und diese Nachrichten gleichfalls verbreitet wurden,
daß sich unter den weitererzählten Meldungen auch solche befanden, die geeignet waren, die
Widerstandskraft des deutschen Volkes zu gefährden.12 In einem anderen Urteil des Sondergerichts
Freiburg wurden die alliierten militärischen Lageberichte generell als widerstandskraftgefährdend
charakterisiert:

Daß es sich beim Verbreiten der Heeresberichte der Feindmächte stets um solche Nachrichten
handelt, die geeignet sind, die Widerstandskraft des deutschen Volkes zu gefährden
, ist ebenfalls klar. Denn selbst dort, wo an sich die berichteten Tatsachen wahr sind,
werden diese Tatsachen durch die Art, wie sie berichtet werden und welche Folgerungen
und Auswertungen ihnen vom Feind bewußt gegeben werden, zu Instrumenten der Widerstandsgefährdung
. 73

70 Urteil vom 18.5.1944; StAF, A47/1-1956-1960.

71 Zum „Sonderdienst Seehaus" vgl. Willi A. Boelcke: Das „Seehaus" in Berlin-Wannsee. Zur Geschichte des
deutschen Monitoring-Service während des Zweiten Weltkrieges. In: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und
Ostdeutschlands 23, 1974, S. 231-269.

72 Urteil vom 23.3.1945; StAF, A30/1-7/25.
" Urteil vom 13.1.1944; StAF, A47/1-1757.

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