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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
123.2004
Seite: 193
(PDF, 49 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2004/0193
Gleich Wird's Grün. Freiburger Fahrpreiskämpfe 19681

Von
Lars Müller

Einleitung

Die Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr sollten in Freiburg zum 1. Februar 1968 erhöht
werden. Dies beschloss der Gemeinderat Mitte Dezember 1967, ohne zu ahnen, welche Lawine
er damit lostreten würde. Die Entscheidung löste die bis dahin größten Demonstrationen
aus, die Freiburg nach dem 2. Weltkrieg erlebt hatte. Sie standen im Zusammenhang mit den
weltweiten Bewegungen, die besonders in den Jahren 1967 und 1968 die Gesellschaften erschütterten
.

In Deutschland schuf die Restauration der konservativen Gesellschaft in den 50er-Jahren
einen tiefen Graben zwischen staatlichen Institutionen und linker Opposition. Viele Nazis wurden
gesellschaftlich rehabilitiert, die Verbrechen des deutschen Faschismus im stillen Konsens
tabuisiert. In den Auseinandersetzungen um die Notstandsgesetze kristallisierte sich der Widerspruch
zwischen der Wiederherstellung eines souveränen, starken Staates in Westdeutschland
und dem Ringen um eine demokratische Gesellschaft heraus. Die Gewerkschaften mobilisierten
bereits seit den frühen 60er-Jahren gegen die Einführung von Sondergesetzen zur Verhängung
eines Ausnahmezustands, in dem Grundrechte außer Kraft gesetzt werden können.2
Die Verabschiedung der Notstandsgesetze rückte mit der großen Koalition von 1966 in greifbare
Nähe. Die Unionsparteien hatten gemeinsam mit der SPD im Bundestag eine Mehrheit,
mit der sie Verfassungsänderungen bequem beschließen konnten.3 An der Spitze dieser Regierung
stand mit Kurt Georg Kiesinger als Bundeskanzler ein ehemaliges NSDAP-Mitglied.
Durch die Regierungsbeteiligung schied die SPD als potentieller Bündnispartner für oppositionelle
Politik aus. Spätestens mit Amtsantritt der Großen Koalition war eine marxistisch/sozialistisch
orientierte Kritik innerhalb der staatlichen Institutionen nicht mehr vorstellbar. Aus
diesem Grund formierte sich eine Außerparlamentarische Opposition, kurz APO. Die APO bezeichnet
keine Organisation, sondern eine heterogene Bewegung u. a. gegen die parlamentarischen
Notstandspläne, gegen deutsche Militärpolitik und für eine Demokratisierung der Hochschulen
. Zahlreiche Anregungen zu Formen und Inhalten dieser Protestbewegung in Westdeutschland
konnten aus den USA übernommen werden. Dort hatten sich Sit-ins und Teach-ins
bereits seit einigen Jahren im Kampf gegen die Diskriminierung der Afroamerikaner und gegen
den Vietnamkrieg bewährt. Theoretische Impulse kamen aus der „Neuen Linken", einer
Strömung, die seit Ende der 50er-Jahre mit einer Phase der Theoriebildung der Bewegung von
1968 vorausging. Die „Neue Linke" bezog sich positiv auf die Marxsche Theorie der Gesellschaftskritik
. Sie unterschied sich jedoch grundlegend von der „Alten Linken", den kommu-

1 Der Text entstand als Begleitheft zur gleichnamigen Quellenausgabe auf CD-ROM. Für die vorliegende Veröffentlichung
wurde er leicht umgearbeitet. Die Dokumenten-Nummern (Dok.-Nr.) verweisen bei Quellenzitaten
auf die CD-ROM-Publikation: Lars Müller: Gleich wird's grün. Freiburger Fahrpreiskämpfe 1968. Hg. vom
Archiv Soziale Bewegungen Freiburg & Stadtarchiv Freiburg (Materialien zur Protestgeschichte 2). Freiburg im
Breisgau 2003.

2 Vgl. Notstandsgesetze. Notstand der Demokratie. Hg. von der Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik
Deutschland, Vorstand. Text und Redaktion Fritz Opel, Olaf Radke, Dieter Schneider, Jürgen Seifert
, Diether Sterzel. o.O. 1966.

3 Vgl. Maren Krohn: Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Notstandsgesetze. Köln 1981, S. 210 ff.

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