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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 43
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rer, doch wohlbeleibter Mann mit einem mächtigen, bis zum Rand goldhell angefüllten Zinnhumpen ...
Über das Gesicht Franz Kellers, des Winzers und Weinwirts zum schwarzen Adler, ging ein von frohgemuter
Sinnbeschaffenheit zeugendes Lachen, hurtig trat er zu dem erharrten Ankömmling hinan und
sagte, den Pokal aufreckend: ,Verschmähet nicht den Willkomm. Herr Feldhauptmann, an Eurer Herrschaft
Eingang!"'19

Er flöße den Gliedmaßen köstliche Leichtigkeit ein, bemerkte der oft von Schmerzen geplagte
Herr von Schwendi und lobte den Wein.

Dieser im 16. Jahrhundert angesiedelte Roman hat unter anderem dazu beigetragen, den
„Schwarzen Adler" in eine Zeit zu verlegen, als es in Oberbergen noch gar keine Wirtschaft
mit Schild gab. Aber wieso konnte dann Wilhelm Jensen diesen Besuch mit so viel Glaubwürdigkeit
und historischem Hintergrund schreiben? Jensen war ein Gourmet und öfters zu Gast
bei dem 1860 geborenen Franz Keller, und zwar Ende des 19. Jahrhunderts, also nicht im 16.
Jahrhundert. Eindeutig zeigt dies die Widmung auf der 1903 erschienenen Novelle „Mutterrecht
. Im Talgang des Kaiserstuhls". Er kehrte auch nicht bei dem Franz Keller ein, der das
Gasthaus nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Feinschmeckerlokal machte, sondern bei dessen
Vater, Franz Anton Keller. Jensen liebte den Kaiserstuhl und den Schwarzwald und schrieb
einige gut recherchierte historische Romane darüber. Diese Landschaften waren dem bekannten
Schriftsteller und Redakteur von seinem langjährigen Aufenthalt in Freiburg (1876-1888)
wohl vertraut.

Wilhelm Jensen, 1837 im Holsteinischen geboren, war eine interessante Persönlichkeit (Abb.
3). Er studierte Medizin, Philosophie und Literatur in Kiel, Würzburg und Breslau und unterhielt
Kontakte zur Kunst- und Wissenschaftsszene seiner Zeit. Während ihres Aufenthalts in
Freiburg bewohnte die Familie Jensen ein großes Haus, in dem sie Künstler und bedeutende
Akademiker empfing, wie den Maler Emil Lugo und den Dichter Wilhelm Raabe, mit dem Jensen
auch häufig korrespondierte. Sigmund Freud gehörte ebenfalls zu seinen Briefpartnern. Als
er 1911 bei München starb, hinterließ er ein umfangreiches Gesamtwerk, das neben zahlreichen
Novellen einige Gedichte und Romane enthält.20 Seine ganz besondere Liebe galt dem
historischen Roman, in den er oft aktuelle Begebenheiten aus seiner eigenen Zeit einblendete
- wie eben die Geschichte des „Franciscus Vinarius".

Von Herdstätten und Häusern, Straßen und Postrouten

Auch diese Spur erwies sich also als Irrweg. Kehren wir zurück in das Dorf Oberbergen, einen
späten Ausbauort, ohne Fron- oder Mittelpunkthof, aber mit vielen Einzelhöfen (vgl. Abb. 4).
Hatte es nun dort im Spätmittelalter schon ein Gasthaus gegeben? War ein Gasthaus nötig,
wenn die Winzer ihren eigenen Wein ausschenken durften?

Wesentliches Kriterium für das Entstehen von Wirtschaften ist zum einen die Bedeutung der
Landstraße, an der das Dorf liegt, zum anderen die Zahl der Einwohner. 1475 wurden in Oberbergen
35 so genannte Herdstätten gezählt, in Vogtsburg sieben. Zur Zeit des Bauernkriegs
1525 hatte sich der Vogt Hans Berlin bereits um eine größere Einwohnerschaft zu kümmern,
denn jetzt standen in den beiden vereinigten Dörfern 56 Häuser, dazu zwei unbewohnte Häuser
und zwei Pfarrhäuser. Die Größe von Nieder- und Oberrotweil mit 103 Häusern erreichte
Oberbergen allerdings nicht.21 Aber in jedem Dorf gab es schon ein Gemeindehaus für Vogt
und Gericht. Vermutlich wurde darin auch Wein ausgeschenkt und gewirtet. Von einem öffentlichen
Wirtshaus wird jedoch nichts berichtet; dazu fehlte wohl der nötige Durchgangsverkehr.

|y Wilhelm Jensen: Mutterrecht. Im Talgang des Kaiserstuhls. Eine Novelle. Berlin 1903, S. 45ff.

20 Daten aus Gustav Adolf Erdmann: Wilhelm Jensen. Sein Leben und Dichten. Leipzig [1907]. Siehe auch im
Internet die Seiten „gutenberg.spiegel.de" und „histrom.literature.at" (11. Oktober 2006). In der Universitätsbibliothek
Freiburg sind seine Schriften vorhanden.

21 Heinrich Maurer: Brandschatzung im Breisgau nach dem Bauernkriege von 1525. In: ZGO 37, 1884, S. 79-99,
hier S. 87.

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