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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 183
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jeweils getrennt mitgeteilt haben, ihre Entwürfe seien die besten und sie dürften wohl mit dem
Auftrag der Ausführung rechnen.74 Allerdings ist derlei Überlieferungen nie ganz zu trauen,
wusste doch Robert Ernst in seinen Lebenserinnerungen zu berichten, dass Beblo den „Wettbewerb
gewonnen hatte".75 Dass es möglicherweise zu gar keiner Entscheidung kommen
würde, hielt zumindest Schlippe schon bald für möglich. Er selbst hatte seine Modelle und
Pläne im Sommer 1942 weisungsgemäß in 27 Kisten verpacken und nach Straßburg expedieren
lassen, um Speer die Besichtigung aller Entwürfe an einem Ort zu ermöglichen. Zu einer
Begutachtung durch den „Generalbaumeister" sollte es indes nie mehr kommen. Die Fracht
hatte Straßburg noch nicht erreicht, als Schlippe die Meldung erhielt, dass Wagner sich nun
doch entschlossen habe, die Modelle wegen der Fliegergefahr dezentral lagern zu lassen. Da es
keine Möglichkeit der Rückführung mehr gab, landeten die Kisten im Keller der Straßburger
Hotelfachschule, wo sie das Kriegsende unbeschädigt überstanden.76

Zwei Seelen in einer Brust - Schlippes Reflexionen über seine Arbeit

Schon im Juni 1943 klagte Schlippe, dass man die abgelieferten Arbeiten für Gott weiß wie
lang in Luftschutzkellern „geborgen" hat, von wo aus sie - wenn sie diesen Weltuntergang
überhaupt überleben - höchstens als Material für eine Neuauflage von Pontens „Architektur,
die nie gebaut wurde" eine fröhliche Urständ' erleben dürften.11 Ein gutes Jahr später, einen
Monat vor der Befreiung Straßburgs durch die Alliierten, hatte er sich, wenn auch schwer, mit
dem Verlust seines Entwurfes abgefunden, denn es ist doch tragisch, daß eine solch riesige Aufgabe
... vollständig unbeachtet zur Seite gelegt wird. Nach Kriegsende war Schlippe felsenfest
davon überzeigt, dass die Entwürfe im Zuge der Besetzung Straßburgs zerstört worden waren,
denn ich kann nicht annehmen, dass man beim grossen Reinemachen gerade ein solches Projekt
verschont haben sollte. Er war sicher, dass die Fanatiker die ganze Arbeit als ein unerwünschtes
Werk der „Dütsche" vernichtet haben, ohne dass je ein Fachmann diese Arbeit gesehen
oder beurteilt hätte.19' Hinsichtlich der Vernichtung sollte er irren, denn bis heute lagern
seine Pläne und Zeichnungen im Straßburger Stadtarchiv. Die schwer beschädigten Modelle -
ob durch Kriegseinwirkung, ist ungewiss - wurden Ende der 50er-Jahre zerstört.79

Schlippe war sich durchaus bewusst, dass er im Bemühen, seinen Entwurf an die gewachsene
Stadt anzupassen und die Monumentalität der Parteibauten auf ein Mindestmaß herunterzuschrauben
, nicht unbedingt die Intentionen der Auftraggeber würde befriedigen können. Es
dürfte sich kaum um reines Understatement gehandelt haben, als er im Juni 1943 seinem Darmstädter
Buchhändler mitteilte, unsereiner als outsider [habe] gar keine Chancen, ... als Architekt
ohne den heldischen Normalstil.&0 Ein Jahr später sprach er von einer he mische [n] Biceps-
geste, in die wohl die Mehrzahl der Teilnehmer geraten sei.81 Auch seine fehlende Parteizugehörigkeit
führte er als Argument für ein mögliches Scheitern an, denn er hielt es für
keineswegs ausgeschlossen, als parteiloser Eigenbrötler für unwürdig gehalten zu werden, das

74 Vgl. Voigt (wie Anm. 4), S. 110. Voigt verweist auf Mitteilungen Wolfdietrich Panthers und der Witwe Trude
Schelling-Karrer aus dem Jahr 1986.

75 Robert Ernst: Rechenschaftsbericht eines Elsässers. Berlin (W) 1954, S. 310. Gegenüber Wolfgang Voigt erklärte
Richard Beblo Ende der 1980er-Jahre, er habe erst aus Emsts Buch von seinem angeblichen Erfolg erfahren
. Vgl. Voigt (wie Anm. 4), S. 110.

76 Zum Chaos um die Lagerung der Modelle vgl. den Schriftwechsel zwischen Juli 1942 und Februar 1943,
StadtAF, Kl/44 Nr. 516.

77 Schlippe an Ludwig Saeng, 12.6.1943 (auszugsweise Abschrift), ebd.

™ Schlippe an Hans Freese, 11.3.1945 (Abschrift), StadtAF, Kl/44 Nr. 78 (1. Zitat); Schlippe an Richard Beblo,
7.1.1945 (Abschrift), StadtAF, Kl/44 Nr. 19 (2. Zitat).

79 Mairie de Strasbourg, Aktennotiz, 7.12.1959, StadtAS, 161 MW 91. Betroffen waren die Modelle von Beblo und
Schlippe. Die Akte enthält zahlreiche Fotografien, die unmittelbar vor der Zerstörung aufgenommen wurden.

80 Schlippe an Ludwig Saeng, 12.6.1943 (auszugsweise Abschrift), StadtAF, Kl/44 Nr. 516.
»» Schlippe an Karl Willy Straub, 18.6.1944 (Abschrift), StadtAF, K1/44 Nr. 271.

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