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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
125.2006
Seite: 184
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außergewöhnliche Projekt zu realisieren.82 Gleichwohl wünschte er sich nichts sehnlicher, als
eben diesen Auftrag zu erhalten. Gegenüber einem Freiburger Bekannten erklärte er: Ich wäre
ja ein Kümmerling, wenn ich z. B. mein Museum oder mein Opernhaus für Straßburg oder
meine abseits der Hauptachse angelegte, nur im Durchschreiten zu erfassende und genießende
Platzfolge nicht lieber als alles andere ausgeführt sehen möchte.** Selbst nach der Kapitulation
- Schlippe war bereits mit dem Freiburger Wiederaufbau betraut worden - bekannte er:
Dass mein großes Projekt für die Neugestaltung von Strassburg drüben endgültig verloren
ging, tut mir doch leid. In mancher Hinsicht stehe ich noch heute zu dieser Arbeit.*4

Ob es sich bei diesem larmoyanten Verhalten tatsächlich um einen Ausdruck ,,innere[r] Emigration
" handelte, die sich in seinem ,,gelehrte[n] Ensemble architektonischer Archetypen aus
der abendländischen Baugeschichte" äußerte, wie Wolfgang Voigt vermutet, muss angesichts
der Fülle an Ämtern, die Schlippe innehatte und angesichts seiner Nähe zur Macht, die überhaupt
erst bewirkte, dass er wiederholt mit schwierigen Gewissensentscheidungen konfrontiert
war, doch bezweifelt werden.85 Diese Problematik muss ihm bewusst gewesen sein. Als er sich
im Oktober 1941 bei dem Freiburger Landeskommissär Schwoerer, der gleichzeitig für die
Herausgabe der Zeitschrift „Badische Heimat" zuständig war, wegen der Verzögerung eines
Beitrags entschuldigte, führte er hinsichtlich seines Zeitmangels erklärend an, er habe Wagner
die Mitarbeit an dem Projekt nicht ausschlagen können, da er kurz zuvor erst die Übernahme
der Straßburger Stadtbaumeisterstelle abgelehnt habe.86 Es ist davon auszugehen, dass es sich
hier nicht nur um eine Ausrede handelte, sondern dass sich Schlippe in unmittelbarer Nähe des
Reichsstatthalters und Gauleiters tatsächlich nicht allzu wohl fühlte.

Andererseits war ihm die NS-Diktion keineswegs fremd, wie er im Juli 1941 bei der Eröffnung
einer Ausstellung zum Thema „Die schöne Stadt" unter Beweis stellte, bei der er in Vertretung
des Freiburger Oberbürgermeisters die Ansprache hielt. Er dürfte sein eigenes Arbeitsgebiet
, die elsässische Denkmalpflege, sehr wohl im Blick gehabt haben, als er angesichts der
Wanderausstellung, die wenig später auch im elsässischen Mülhausen gezeigt werden sollte,
formulierte, dass neben den gr[oßen] neuen Kunstschöpfungen [auf] Geheiß des Führers: Linz
- Nürnberg - Weimar - Berlin usw. ... gerade jetzt [die] Pflege alles wahrhaft deutschen
Wesens nötig sei.87

Zwei Herzen werden wohl in Schlippes Brust geschlagen haben: Während der Architekt die
Neuplanungen als große Herausforderung begriff, dürfte dem erfahrenen und besonnenen
Denkmalpfleger das gigantische Projekt mehr als suspekt gewesen sein. Letztlich war Schlippes
Entwurf denn auch nichts anderes als ein Konglomerat von Kompromissen, wie er am Ende
der Planungen selbst feststellte, als er seinen Vorschlag für das „Neue Straßburg" zusammenfassend
charakterisierte: Die architektonische Haltung soll je nach Baugedanke und Zweck
bald feierlich und formstreng, bald gelöst und anmutig sein und zusammen mit der wohl räumigen
Weite der Stadtanlage den Geist des Neuen Deutschland verkörpern.**

82 Schlippe an Ludwig Saeng, 12.6.1943 (auszugsweise Abschrift), StadtAF, Kl/44 Nr. 516.

»3 Schlippe an Karl Willy Straub, 18.6.1944 (Abschrift), StadtAF, Kl/44 Nr. 271. Das Opernhaus, welches Schlippe

in Anlehnung an Mollers Mainzer Theater entwickelte, beschrieb er detailliert in einem Brief an Karl Gruber.

Vgl. Schlippe an Gruber, 14.12.1942 (Abschrift), StadtAF, Kl/44 Nr. 516.

84 Schlippe an Karl Gruber, 6.6.1945 (Abschrift), StadtAF, Kl/44 Nr. 102.

85 Wolfgang Voigt: Planen und Bauen im besetzten Gebiet. Ein Forschungsprojekt über das Elsaß in den Kriegsjahren
. In: Festschrift für Günther Kokkelink (Schriften des Instituts für Bau- und Kunstgeschichte der Universität
Hannover). Hannover 1999, S. 205-21 1, hier S. 207.

86 Schlippe an Paul Schwoerer. 31.10.1941 (Abschrift), StadtAF, Kl/44 Nr. 521.

87 Redemanuskript, 19.7.1941, StadtAF, Kl/44 Nr. 956. Zur Präsentation der Ausstellung in Mulhouse vgl. StadtAF,
Kl/44 Nr. 534.

88 Schlippe (wie Anm. 43).

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