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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 122
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Der von Friedrich Riedrer um 1495 gedruckte Gesundheitsratgeber gegen die Pest wird Ka-
mitus - sein eigentlicher Name war Bengt Knudsen -, dem Bischof von Aarhus im Königreich
Dänemark zugeschrieben (gestorben 1462). In Wirklichkeit handelt es sich um einen Druck des
Pesttraktates von Johannes, dem Sohn des Jakobus (gestorben 1384), des Kanzlers der Universität
Montpellier und Leibarztes von Papst Urban V.110

In den fünf Kapiteln seiner Pestschrift behandelte Johannes Jacobi Anzeichen und Gründe
von Pestepidemien sowie ihre Therapien durch Herzstärkung, Diäten und Aderlass. Schwüles
Sommerwetter, regnerisches, nebliges und windiges Wetter mit Südwinden, dunkle, regnerische
Tage, ohne dass es zum Regnen kommt; zahlreiche Mücken, vom Himmel fallende Sterne
, fliegende Kometen, häufiger Blitz und Donner und vorherrschender Südwind sind nach Johannes
Jacobi Indizien von herannahenden Pestepidemien. Drei Ursachen sind nach Jacobi für
die Pest verantwortlich: Wurzeln unter dem Erdboden, wie z.B. Latrinen nahe bei den Wohnräumen
, Leichen von Verstorbenen, Wurzeln über dem Erdboden, d.h. verdorbene Luft (aer),
die wir nicht sehen können, und Feuchtigkeit des Himmels. Menschen sind unterschiedlich disponiert
: Besonders gefährdet sind Personen, die leicht erhitzen, mit „heißen Körpern" und
großen Poren, mit häufigem Koitus, die oft baden, schnell ins Schwitzen geraten oder leicht in
Zorn entflammen. Die Krankheit ist ansteckend, weil die Körper der Kranken giftige Dämpfe
ausstrahlen und die Luft „verpesten". Als Heilmittel empfiehlt Jacobi deshalb zunächst, sich
von den Kranken fernzuhalten, Volksansammlungen zu vermeiden und zu Hause zu bleiben.
Die Ärzte sollen sich vom Kranken fernhalten und das Gesicht zum Fenster wenden. Die Kammer
des Kranken ist zu durchlüften, die Fenster nach Osten und Norden sind zu öffnen, nach
Süden aber zu schließen. Das Haus ist mit Rosenwasser und Essig zu reinigen, die Hände sind
mit Essigwasser zu säubern. Ein ständiges Feuer soll die Luft reinigen. Die Kost soll leicht und
bekömmlich sein, immer mit etwas Säuerlichem. Schweres Fleisch und Eingeweide sind zu
vermeiden, dafür sollen marinierte Fische mit Zwiebeln und Zitronensaft genossen werden.
Süßigkeiten sind ebenfalls zu meiden. Kräuter und Gewürze, Salate mit Essig, Gewürzen, Salbei
sind zu bevorzugen. Als Getränk empfiehlt er klaren lymphatischen Weißwein und Rosenwasser
. Schwere Arbeit soll vermieden werden; Bäder mit Ausnahme der Extremitäten sind zu
unterlassen, ebenso Koitus, allzu großer Zorn oder Freude. Das Herz soll gestärkt beziehungsweise
entlastet werden. An Medikamenten empfiehlt er verschiedene Gewürz- und Kräutermischungen
, u.a. Theriak, ein opiumhaltiges Gemisch aus 70 verschiedenen Substanzen wie
Schlangenfleisch, Vipernextrakten und Krötenpulver.111 Bei beginnendem Fieber soll mit einem
Klistier abgeführt werden. Der Kranke soll nach verschiedenen Methoden zur Ader gelassen
werden. Der Anhang der Pestschrift enthält einen Gesundheitsplan für das Jahr nach Monaten
und Sternbildern mit Ratschlägen für die Gesundheit und Lebensführung.

Jacobis Pestschrift baute auf den Lehren des persischen Arztes Avicenna (980-1037) und seinem
„Kanon der Medizin" mit seiner Lehre von der reinen Luft, als dem wichtigsten Element
für die Erhaltung des Lebens, und auf den griechischen Arzt Galen (129-200) mit seiner Lehre
von den ausgeglichenen Säften (humores) auf, den Grundlagen der mittelalterlichen Medizin
.112

Bei kritischer Prüfung der vorgeschlagenen prophylaktischen und therapeutischen Maßnamen
war allerdings nur die zeitgenössische Fluchtempfehlung sinnvoll: „Fuge, recede, redi",

110 Karl Sudhoff: Pestschriften aus den ersten 150 Jahren nach der Epidemie des „Schwarzen Todes". In: Archiv
für Geschichte der Medizin 17 (1925), S. 1-139; Arnold C. Klebs/Eugene Droz: Remedes contre la Peste. Paris
1925, S. 52-56.

111 Mayer (wie Anm. 108), S. 25 und 30 mit Anm. 51.

112 Pedro Gil Sotres: Regeln für eine gesunde Lebensweise. In: Geschichte des medizinischen Denkens. Antike
und Mittelalter. Hg. von Mirko D. Grmek. München 1996. S. 312-330; Jean Noel Biraben: Das medizinische
Denken und die Krankheiten in Europa. In: Ebd., S. 396-405.

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