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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 149
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All diese Faktoren führten in ihrem Zusammenwirken zu einem ungeheuren Aufschwung der
Segelschifffahrt, die vom 16. bis weit ins 19. Jahrhundert hinein ihre Blütezeit erlebte.3

Und gerade Hanf war für den Bau und die Ausrüstung eines hochseetauglichen Segelschiffes
neben Holz für Rumpf, Masten und Rahen sowie Eisen für Nägel, Scharniere, Draht, sonstige
Beschlagteile, Anker und Kanonen - soweit letztere nicht aus Bronze oder Messing gegossen
wurden - ein unentbehrlicher Rohstoff. Von der bei großen Schiffen mehr als armdicken
Ankertrosse bis hin zur dünnen Flaggenleine, von den Segeln bis zum sogenannten stehenden
Gut, dem Tauwerk zur Verankerung und Abstützung der Masten, und zum laufenden Gut, dem
ausgeklügelten Rigg für die Handhabung der Rahen und Segel eines solchen Segelschiffs, waren
Hanffasern wegen ihrer sehr guten Widerstandsfähigkeit gegen Wasser und aufgrund ihrer
hohen Reißfestigkeit und geringen Dehnfähigkeit das am besten geeignete und damit unverzichtbare
Ausgangsmaterial. Außerdem war teer- oder pechgetränktes Hanfwerg zum Kalfatern
, also zum Abdichten der Ritzen zwischen den Rumpf- wie den Deckplanken erforderlich;
und Hanf war auch Bestandteil der ölgetränkten oder gewachsten wetterfesten Bekleidung der
Seeleute.

In welch gewaltigen Mengen Hanf für maritime Zwecke benötigt wurde, sei kurz an einigen
Beispielen veranschaulicht. Für den Bau und die Ausstattung der viermastigen Karacke „Henry
Gräce ä Dieu" („Great Harry"), dem 1514 vom Stapel gelassenen Hauptschiff der Flotte des
englischen Königs Heinrich VIII., das mit einer Rumpflänge von etwa 50 m, einer Breite von
ca. 12,5 m und einer Wasserverdrängung von 1.500 t, einer Bewaffnung von 43 schweren und
141 Kanonen kleineren Kalibers sowie einer Besatzung von 700 Seeleuten und Soldaten zu den
größten Schiffen seiner Zeit zählte, wurden für die Kalfaterung, Takelung und Segelausstattung
wahrscheinlich wohl rund 220 t Hanfmaterial verbraucht, wobei ein Großteil davon für die Abdichtung
der Rumpf- und Decksbeplankung aufgegangen sein dürfte.4 Beim originalgetreuen
Nachbau des bewaffneten Handelsschiffs „Batavia", eines 1629 bereits auf seiner ersten Fahrt
an einem Riff vor der Küste Australiens gesunkenen, dreimastigen Ostindienfahrers, betrug
1995 allein schon das Gewicht der 12 Segel aus Hanfleinwand mit ihrer Gesamtfläche von

3 Zur europäischen Expansion: Rene Alexander Marboe: Europas Aufbruch in die Welt. 1450-1700. Entdecker,
Konquistadoren, Navigatoren und Freibeuter. Essen 2004 (dort auch eine Liste neuerer Literatur zum Thema).
Zum Ostseehandel und zu den Verschiebungen bisheriger Seehandelsrouten und -Schwerpunkte siehe: Europäische
Wirtschafts- und Sozialgeschichte vom ausgehenden Mittelalter bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Hg. von
Hermann Kellenbenz (Handbuch der europäischen Wirtschafts- und Sozialgeschichte 3). Stuttgart 1986. S. 286:
Ders.: Spanien, die nördlichen Niederlande und der skandinavisch-baltische Raum in der Weltwirtschaft und Politik
um 1600. In: Ders: Kleine Schriften 1. Europa, Raum wirtschaftlicher Begegnung. Wiesbaden 1991 (Vierteljahrsschrift
für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte: Beihefte, Nr. 92), S. 77-120, hier vor allem S. 84-93 und
114ff. sowie die Zusammenfassung auf S. 119f.; Ders.: Landverkehr. Fluss- und Seeschiffahrt im europäischen
Handel (Spätmittelalter bis Anfang des 19. Jahrhunderts). In: Ders: Kleine Schriften 1 (s.o.), S. 327-441, hier
vor allem S. 365ff. und 375ff. Vgl. Jean Meyer/Martine Acerra: Segelschiffe im Pulverdampf. Das Ringen um
die Seeherrschaft in Europa. Bielefeld 1990, S. 34f. Zu den Schiffbau- und navigationstechnischen Verbesserungen
ein allgemeiner Überblick bei Kellenbenz, Landverkehr (s.o.), S. 331 ff. und 367-373. Zum Schiffstyp der
Karavelle: Bernhard Hagedorn: Die Entwicklung der wichtigsten Schiffstypen bis ins 19. Jahrhundert (Veröff.
d. Vereins f. Hamburgische Geschichte 1). Berlin 1914, S. 56-58; Alfred Dudszus/Ernest Henriot/Friedrich
Krumrey: Das große Buch der Schiffstypen. 2., bearb. Auflage, Berlin 1987, S. 165. Bojer: Hagedorn (s.o.), S.
78-92, vor allem S. 83f.; Dudszus/Henriot/Krumrey (s.o.), S. 60f. Galeone: Hagedorn (s.o.), S. 66f.; Peter
Kirsch: Die Galeonen. Große Segelschiffe um 1600. Koblenz 1988, S. 11-44. Fleute: Dudszus/Henriot/Krumrey
(s.o.), S. 103ff.; Hagedorn (s.o.), S. 102-110 und 112-118; Lothar Eich/Johannes Wend: Schiffe auf
druckgraphischen Blättern. Ausgewählte Meisterwerke des 15. bis 17. Jahrhunderts. Rostock 21985, S. 114.

4 „Henry Gräce ä Dieu": Schiffstyp Karacke: Hagedorn (wie Anm. 3), S. 42f. und 66f.; Dudszus/Henriot/Krumrey
(wie Anm. 3), S. 152ff.; Abmessungen ebd., S. 131 f. Die Berechnung des Hanfbedarfs nach den Angaben
bei Werner Sombart: Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen
Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart. Erster Band: Die vorkapitalistische Wirtschaft.
Unveränd. Nachdr. der 2., neugearb. Auflage, München und Leipzig 1916 [München 1987], S. 767, wobei die
dort angegebenen 1.711 Pfund entgegen den Bedenken Sombarts als Schiffspfund genommen wurden, da sich
andernfalls, wie auch Sombart bemerkt, ein unglaubwürdig niedriges Gewicht für das Rigg ergeben würde. Für

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