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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 153
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Vervollkommnung der Technik „die schönste Leinwand; und es müssen sehr erfahrene Leute
sein, welche solche von der andern, die aus dem Flachse bereitet wird, unterscheiden können
."15 Krünitz fasst die vielfältige Verwendung der Hanffasern so zusammen:

„Die Hanfstängel geben ... Fäden, woraus Seile, Taue, Stricke und anderes dergleichen Geräth verfertiget
, oder Garn gesponnen, und daraus Netze, feines Kammertuch, Drillich, Leinwand, Segeltuch, Zelttuch
, Sackleinwand und Packtuch bereitet wird. Der auf oben beschriebene Art zubereitete Hanf nimmt
alle Farben an. Die Vermischungen, welche man damit macht, sind um so angenehmer, weil sie die theu-
rere Seide, Baumwolle und Haare im Preise vermindern. Die Würmer fressen den Hanffaden nicht an. Aus
einer Vermischung des Hanfes mit Wolle, in gleichen Theilen, werden Haubenzeuge gewirkt, und die besten
Tücher, wie von bloßer Wolle, gewebet. Aus seiner Vermischung mit Baumwolle verfertigt man man-
cherley Stoffe und Kleidungen, welche wegen ihres Glanzes, Weiche, Feinheit und andern guten Eigenschaften
beliebt sind. Die daraus verfertigte Leinwand, der Drillich (Drell) [aus dreifädigen Webgarn] und
Damast sind schön; selbst das Kammertuch und der Zwirn sind von denen aus Flachs kaum zu unterscheiden
. Die daraus gemachten Segeltücher werden nicht so schwer und starr [weil sie weniger Feuchtigkeit
als andere Gewebe aufnehmen] und dauern [halten] länger."16

Aus diesem skizzenhaften Exkurs dürfte ausreichend deutlich geworden sein, welch unersetzliche
Rolle der Rohstoff Hanf für die materielle Kultur Europas in der frühen Neuzeit im Allgemeinen
und für die Segelschifffahrt als alleinigem Produktions-, Transport- und Verkehrsmittel
für die Küsten- und Hochseefischerei, den Seehandel und nicht zuletzt für die technisch
durch sie überhaupt erst ermöglichte, europäische Expansion nach Übersee im Besonderen
spielte. So schufen allein schon der Bau und die Unterhaltung der wachsenden Handels-, Fischerei
- und Kriegsflotten seit Beginn der frühen Neuzeit einen im Ausmaß bis dahin unge-
kannten Materialbedarf, der über weite Räume ausstrahlte, im Hinblick vor allem auf den niederländischen
Bedarf an Schiffbauholz und an Hanf offenbar auch rheinaufwärts bis weit ins
Binnenland, bis in das Oberrheingebiet. Dies würde jedenfalls erklären, weshalb der Hanfanbau
im Breisgau seit der Entdeckung Amerikas offenbar so stark zunahm, dass sich die ge-
meynen wassergenossen des Breyßgaws im Jahr 1547 zum Erlass jener Verfügung über die
Hanfrötzen veranlasst sahen.

Hanf als bedeutendes Handelsgewächs des Oberrheingebiets

Dieser Erklärungsversuch ist nicht aus der Luft gegriffen. Während in Frankreich im 18. Jahrhundert
-Angaben zum 16. und 17. Jahrhundert ließen sich nicht finden - allein schon die Au-
vergne, nur eines unter vielen Anbaugebieten des Landes, soviel Hanf produzierte, dass damit
„schon mehrmahls die ganze königliche Flotte sowohl als auch die Kauffahrdeyschiffe" ausgerüstet
werden konnten, wuchs „in Holland und England ... dessen nicht viel, und lange nicht
so viel, als diese Länder gebrauchen".17 So importierten beide Länder schon im 16. Jahrhundert
Hanf aus Polen, den baltischen Ländern und sogar aus Russland; bereits „am Ende des 15.
Jahrhunderts war ... die holländische und englische Schifffahrt ohne Holz, Hanf, Pech und
Schmiere aus Osteuropa unvorstellbar geworden."18 Für die Niederlande als Seemacht mit unzureichenden
Ressourcen an Schiffbaumaterialien im eigenen Land, das verkehrsgünstig an

15 M. Marcandier: Abhandlung vom Hanfe von Herrn Marcandier. In: Hamburgisches Magazin, oder gesammelte
Schriften, zum Unterricht und Vergnügen, aus der Naturforschung und den angenehmen Wissenschaften 22
(1759), S. 563-637; im Internet unter: www.ub.uni-bielefeld.de/cgi-bin/neubutton.cgi?pfad=/diglib/aufkl/hamag/
141591 &seite=00000565 .TIF&werk=Zeitschriften+der+Aufklaerung.

16 Krünitz (wie Anm. 6), Bd. 21 (1780), Stichwort „Hanf, S. 765-838, hier S. 830.

17 Ebd., S. 769 und 818.

18 Immanuel Wallerstein: Das moderne Weltsystem. Die Anfänge kapitalistischer Landwirtschaft und die europäische
Weltökonomie im 16. Jahrhundert. Frankfurt a.M. 1986, S. 126. Vgl. Hans-Christoph Junge: Flottenpolitik
und Revolution. Die Entstehung der englischen Seemacht während der Herrschaft Cromwells (Veröff.
d. Deutschen historischen Instituts London 6). Stuttgart 1980, S. 172f., der den massenhaften Import von Hanf
aus diesen Gegenden etwas später ansetzt.

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