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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 162
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ab, Stangen über einander befestigt, worauf die Bunde Flachs, nachdem sie etwas gelöset sind, locker neben
einander gelegt werden, da alsdann der Flachs 18 bis 24 Stunden in dieser Stube bleibt, und wobey
die Hitze in derselben, die nach und nach immer verstärkt wird, endlich so unerträglich gemacht wird, daß
es nicht möglich ist, daß jemand sich in derselben aufrecht etwas verweilen kann. Wer aber dörrt, muß die
ganze Zeit über eine Wache im Hause lassen, und da dieses immer mehrere sind, so ist man gegen Feuersgefahr
hinlänglich gesichert."58

Auch vom Rat der Stadt Kenzingen wurde die gefährliche Praxis des Hanfdörrens im Haus
anlässlich der regelmäßig stattfindenden Kontrollen der Feuerschauer immer wieder gerügt.
Wiederholt sah sich der Rat veranlasst, einzelnen Bürgern oder der Bürgerschaft insgesamt
Auflagen zur besseren Vorsorge gegen die Feuergefahr beim Hanfdörren zu verordnen. So erhielten
in der Ratssitzung vom 28. September 1655 die neu ernannten städtischen Feuerschauer
die Anweisung, dass sie jeden, wellicher in seiner behaußung ... etwan straw [Stroh] oder hanff
nahe bey denfeur herten [Feuerherden] oder bachoffen [Backöfen] ligendt haben würdt, ... bey
E.[inem] Efhrsamen] rath namhafft vnndt bekhandt machen sollen. Und schon in seiner nächsten
Sitzung am 7. Oktober dekretierte der Rat, dass daz hanff dorren bey Stuben offen vndt andern
gefährlichen orthen eben falls verpotten sein solle.59 Dass die behördlichen Ermahnungen
zu sorgsamem Umgang mit Hanf keine übereifrige Schikane war, zeigt der verheerende
Stadtbrand in Kenzingen vom 1. März 1814, der auf dem Hanfspeicher über dem Stall des Posthauses
ausbrach und achtzig sowie, nach seinem erneuten Aufleben zwei Tage später, noch weitere
acht Häuser in Schutt und Asche legte.60 Angesichts des Ausbruchsortes über einem normalerweise
wohl unbeheizten Stall mag die Ursache dieses Brandes aber wohl weniger im unvorsichtigen
Dörren von Hanfstängeln gelegen haben, als vermutlich eher in unsachgemäßer
Lagerung bereits gebrochenen oder schon gehechelten Hanfs. Denn wie Heu stand dieser immer
in der Gefahr der Selbstentzündung, wenn die Haufen in ihrem Innern nicht absolut
trocken gehalten, gut belüftet, regelmäßig gewendet und auf die in ihrem Innern herrschende
Temperatur überprüft wurden.61

Nachdem die gerötzten Hanfstengel zunächst auf dem Feld an der frischen Luft getrocknet
und dann unter Hitzeeinwirkung gedörrt worden waren, stand als nächster Arbeitsschritt das
Trennen des Faserbasts vom holzigen Stängelkern an. Zwar gab es auch die Möglichkeit, die
faserhaltige Bastschicht von Hand abzuschälen, eine einfache Arbeit, die auch von Alten und
Kindern erledigt werden konnte, doch sei „nicht zu läugnen, daß sich bey diesem Verfahren al-
lerley Unbequemlichkeiten finden. Geschälter Hanf läßt sich nicht so gut hecheln, als gebrochener
, weil er sich bänderweise[vom Stängel] trennt. Es bleiben, besonders gegen die Wurzeln
, noch allerhand unnütze Häutchen daran, wodurch das Gewicht vermehrt wird und für den
Verkäufer besser als für den Käufer ist. Hiernächst schält sich der Hanf nicht allemahl in gleicher
Länge, und daher entsteht in seiner fernem Zurichtung mannichfaltiger ansehnlicher
Nachtheil und Verlust."62 Entgegen diesem Verdikt der „Oeconomischen Encyclopädie" wurde
dieses Verfahren jedoch zumindest im badischen Hanauerland beim Grobhanf, den dickeren
und längeren Stängeln der samentragenden, weiblichen Pflanzen mit den stärkeren, von den
Seilern weiterverarbeiteten Fasern sehr wohl angewandt: Nach dem Abbrechen der Wurzel
wurde die Rinde mit der Faserschicht von Hand längs aufgeschlitzt und dann abgezogen, geschleißt
oder geschlenzt, wobei als Hilfsmittel ein blecherner Däumling zum Einsatz kam. Das

5* Krünitz (wie Anm. 6), hier Bd. 76 (1799), Artikel „Lein", S. 97f.

59 StadtAF, LI Kenzingen C VIII Extra Iudiciale Prothocollum civitatis Kentzingensis (1655-1674), fol.lv und 2r.

60 Fabnacht (wie Anm. 45), S. 340; vgl. dazu auch Hartmut Zoche: Kenzingen 1806-1860. In: Kenzingen (wie
Anm. 50), S. 179-214, hier S. 197f.

61 Krünitz (wie Anm. 16), S. 824.

62 Ebd., S. 792. Im 19. Jahrhundert war dieses Verfahren nach Meyers Konversations-Lexikon. Bd. 8. Leipzig
1889/90, S. 122, in Belgien verbreitet.

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