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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 172
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0172
Da sich der Rat der Stadt Kenzingen in dieser Sitzung nun schon einmal mit nächtlichen Aktivitäten
im Zusammenhang mit der Hanfwirtschaft in der Stadt beschäftigte, ging er, diesmal
nicht aus feuerpolizeilichen Erwägungen, gleich auch gegen den Brauch der obrigkeitlich miss-
liebigen, winterlichen Lichtstuben vor:

Die Nacht oder Hecht stuben, so biß ahn hero zur winters zeit von großem concurs [mit großem Zulauf]
frequentiert, vndt dar bey wenig guots, sondern mehrer Theils üppikheiten vndt außrichtung so wohl
E.[ines] Efhrsamen) raths als gemeinen burgers man geübt worden, sollen gäntzlichen abgestellt [werden
].9*

Bei diesen abendlichen und nächtlichen Zusammenkünften, zu denen die versammelten Frauen
ihr Spinnrad mitbrachten, um in gemeinsamer Runde den gehechelten Hanf zum Faden zu spinnen
und bei denen die Männer die dicken Stängel des Samenhanfs schleißten, blieb es häufig
nicht bei Scherzen, Neckereien, Erzählen und Singen, sondern es wurden auch Obrigkeiten und
Mitbürger „durchgehechelt", außgerichtet, wie es im Kenzinger Ratsbeschluss heißt. Darüber
hinaus wurden solche Lichtstubenzusammenkünfte des Wibervolks traditionell gerne vom
Mannsvolk aufgesucht, vorzugsweise natürlich von dessen jüngeren, unverheirateten Angehörigen
, und so diente das zu Hecht gehen als wichtiger Bestandteil der Jugendkultur dem
Kennenlernen und Sich-Näherkommen der beiden Geschlechter. So dürften die von den Kenzinger
Ratsherren monierten üppikheiten wohl nicht nur in gelegentlichen Tafelfreuden und
manchmal reichlichem Alkoholkonsum bestanden haben, sondern auch in anderen sinnlichen
Genüssen, die über gegenseitige Neckereien und sich gegenseitig schöne Augen machen hinausgingen
, wie die Limpurgische Polizeiordnung von 1589 nahelegt, die die Lichtstuben als
eine Einrichtung ächtete, darinnen man nichts guets, sondern allerley unnutz geschwetz, mehr-
lin [Märchen] unnd anders ußzurichten pflegt, auch knecht unnd mägten ursach gipt, das sie
bißweilen heimlich zusammen schliefen, und also ein ganz schandlichs leben fuehren.94

In Vorsorge um die Feuersicherheit beim Nacht- oder Liecht hechlen ordnete der Rat der
Stadt Kenzingen ein Jahr später in seiner Sitzung vom 16. September 1656 an, es solle in in
der ober[-] vnndt vnderstatt ein absonderlicher Platz, all woh daz Feür im wenigsten schaden
zue füegen kann, ausgesehen [ausgesucht], vnndt von den Gemeinden, [die] daselbsten wohnhaft
[sind], ein hütten erbawen werden, zue deren befürderung dan pro inspectoribus ahngesehen
[ausgewählt] worden in der ober Statt Herr Georg Groß, in der vnder Statt Herr Simon
Gisingen95 Beide waren langjährige Mitglieder des Rates. Gisinger, dem wir bereits als baw-
meister in städtischen Diensten begegnet sind,96 ist seit der ersten, im ältesten erhaltenen Kenzinger
Ratsprotokoll überlieferten Ratsbesetzung von 1656 als einer der neun alten Räte im
Stadtregiment nachweisbar, wurde 1667 zusammen mit zwei weiteren Ratsverwandten vom
Rat zum Feür schawer, zum städtischen Sachverständigen für Brandschutz bestellt, fungierte
von 1667 bis mindestens 1673 als einer der drei Bürgermeister der Stadt und wird auch im Inventar
seines Nachlasses aus dem Jahr 1686 noch oder wieder als solcher bezeichnet.97 Was
aus diesem Vorhaben wurde, ist ungewiss. Die Ratsprotokolle liefern darüber jedenfalls keine
weiteren Nachrichten; einmal mehr macht sich hier der Verlust der Kenzinger Stadtrechnungen
aus jener Zeit schmerzlich bemerkbar. Schließlich erließ der Rat 10 Jahre nach seinem Be-
schluss zur Errichtung besonderer Hütten für das Hecheln in seiner Sitzung vom 24. Oktober

93 StadtAF, LI Kenzingen C VIII Extra Iudiciale Prothocollum civitatis Kentzingensis (1655-1674), fol. 2r + v.

94 Zitiert nach Carl-Jochen Müller: Jugendsozialraum oder Schule des Lasters? Zur Lichtstube und ihrer Funktion
im Limpurgischen. In: Archivnachrichten 29 (2004), S. 18-20, hier S. 18; vgl. Roth (wie Anm. 29), S. 52.

95 Stadtarchiv Kenzingen (StadtAKenz), Rats- und Gerichtsprotokolle der Stadt Kenzingen, Bd. 1 (1655-1675),
noch ohne endgültige Signatur, Protokoll vom 16. September 1656. Bemerkenswert erscheint, dass die Bewohner
der Unter- wie der Oberstadt als je eigene Gemeinden bezeichnet werden.

96 Vgl. Teil I dieses Beitrags (wie Anm. 1), S. 84.

97 Zu Simon Gisinger vgl. Hellwig (wie Anm. 50), S. 105ff. Sein Verlassenschaftsinventar in StadtAF, LI Kenzingen
A V 352 dat. 22. Januar 1686.

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