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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 177
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unlauteren Mitteln griffen um diesen aufzubessern, zeigen die folgenden beiden Artikel aus der
oben erwähnten sächsischen Drescher-Zunftordnung:

XVI. Die weiten Pumphosen, Stolpstiefeln [Stulpenstiefel], große Schiebsäcke [Hosen- und Jackentaschen
], weite Schuh, worein man noch ein Paar Ferklein einquartieren könnte, sollen zu tragen gänzlich
abgeschafft seyn, weil sich, zu nicht geringem Schaden des Eigenthumsherrn [Arbeitgebers], oft die [Getreide
- ] Körner darein verkriechen. XVII. Da auch an etzlichen Orten hergebracht, daß Sonnabends einem
jeden Drescher ein Bund Stroh auf den Abend frey mit sich nach Hause zu nehmen erlaubt ist: als[o]
soll sich keiner gelüsten laßen, ein länglich Säcklein mit Körnern hinein zu practiciren, und solches benebst
dem Stroh hinweg zu tragen, wie leider die Erfahrung bezeuget.121

Drakonisch waren die Sanktionen, die der Kenzinger Ratsbeschluss jedem Drescher
androhte, der sich diesem obrigkeitlich verordneten Lohndiktat nicht beugen sonder[n] vßer
halb der Statt in der Frembde tröschen wollte. Wer sich auf diese Weise der Ratsanordnung entziehen
oder widersetzen würde, dem solle neben verlustigung [Entziehung] seines bürger- oder
hindersässen rechts weib vnndt kündt als balden auch nach geschickht werden.122 Mit seiner
Neufestsetzung und Minderung des Drescherlohns bezweckte das städtische Regiment ganz offensichtlich
, einerseits den in größerem Umfang Getreide anbauenden Bürgern und Hintersassen
der Stadt die benötigten Lohndrescher zu einem billigen Tarif zur Verfügung zu stellen, andererseits
durch den Aufbau einer massiven und im Fall ihrer Anwendung folgenschweren
Drohkulisse, die einer Beschränkung der Freizügigkeit gleichkam, den Betroffenen zugleich
jegliche Möglichkeit zu nehmen, dem Lohndiktat auszuweichen. Ob oder inwieweit für die
Lohnminderung Überlegungen, durch Niedrighalten der Produktionskosten verbraucherfreundliche
Endpreise zu befördern, oder die Gewinnspanne der Getreidebauern zu erhöhen,
gar wirtschaftliche Eigeninteressen der Ratsmitglieder selbst und ihrer jeweiligen Klientel eine
Rolle spielten, muss mangels diesbezüglich aussagekräftiger Quellen offen bleiben; völlig abwegig
dürfte die Annahme auch solcher Beweggründe allerdings nicht sein. Jedenfalls zeitigte
die vom Kenzinger Stadtregiment verfolgte Strategie offenbar Wirkung, denn in den Ratsprotokollen
, die im hier behandelten Zeitraum sehr wohl verschiedentlich die Aberkennung des
Bürger- oder Hintersassenrechts verzeichnen, finden sich in den folgenden Jahren keine Fälle,
in denen ein solcher Rechtsentzug mit Verstößen gegen dieses Verbot begründet wurde.

Zugleich mit dem Lohn für die Drescher legte der Rat in der Sitzung vom 16. September
1656 auch den für die Hanfhechler fest: Dem hechel man[n] aber solle vom Ib zue hechlen me-
hers nicht dan ein Creützer gegeben werden.123 Es fällt auf, dass der Rat im Unterschied zu seinem
Verfahren bei den Dreschern in seinem Entscheid keinen einheitlichen Stück- oder Taglohn
festlegte, sondern lediglich eine Obergrenze, die nur unterschritten werden durfte: mehers
nicht dan ein Creutzer. Das könnte darauf hindeuten, dass es in Kenzingen bis dahin möglicherweise
einen über die jeweils gebotene Lohnhöhe ausgetragenen Wettbewerb der Arbeitgeber
um die Verdingung von Lohnhechlern gegeben hatte, durch den wirtschaftlich weniger
leistungsstarke Hanfproduzenten bei der Erlangung von Arbeitskräften vermutlich benachteiligt
worden waren und der nun mit dieser Regelung wenn nicht unterbunden, dann doch zumindest
begrenzt werden sollte. Denkbar ist auch, wie bei der Festlegung der Drescherlöhne,
dass das städtische Regiment mit seiner Höchstlohnbegrenzung Verbraucher- bzw. abnehmerfreundlichere
Preise durchsetzen wollte.124 Dass der städtische Rat grundsätzlich bereit war,
diesen Weg der Marktreglementierung zu beschreiten und ungezügelte Marktkonkurrenz allein
aufgrund unterschiedlicher finanzieller Leistungskraft zu unterbinden, zeigt sich beispielsweise

121 Krünitz (wie Anm. 104), S. 614.

122 StadtAKenz, Protokoll vom 16. September 1656.
'23 Dito.

124 Diesen Gesichtspunkt führt Elsas (wie Anm. 112), Bd. 1, S. 59, bei der Behandlung von „Lohntaxen", also
Höchstlohnen an.

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