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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 178
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daran, dass er zwei Wochen vor der Lohnfestsetzung für Drescher und Hechler eine Kauf- und
Verkaufsordnung verabschiedete, die unter anderem die Höhe des Weinkaufs, einer bei Grundstücksgeschäften
vom Käufer zusätzlich zum eigentlichen Kaufpreis geforderten Wirtshaus-
zehrung bzw. Geldzahlung festlegte. Die bis dahin ungeregelte Steigerung dieses Aufpreises
hatte offenbar in zunehmendem Maß die Zugsgerechtsame - ein ursprünglich aus mittelalterlichen
Nachbarschafts- und Genossenschaftsverhältnissen erwachsenes und bei Liegenschaftsverkäufen
die unmittelbaren Nachbarn des Verkäufers gegenüber möglicherweise mehr bietenden
Dorf- bzw. Stadtbewohnern oder auswärtigen Kaufinteressenten bevorzugendes Vorkaufsrecht
- außer Kraft gesetzt, sodass manicher, der mit der Zugs gerechtsambe berechtiget,
deß so überschwämbten (überhand genommenen) weinkhauffs halb, seines rechtens sich begeben
vnnndt darvon abschreckhen lassen müeßte.125

Geht man nun vom Höchstlohn von 1 xr für das zu hechelnde Pfund Hanf aus und legt die
von der „Encyclopedie" angegebene Tagesleistung eines geübten Hechlers von bis zu 80 Pfund
zugrunde, so ergäbe sich daraus ein maximaler Tagesverdienst von 1 fl und 5 bz in Reichs- bzw.
von 2 fl in sogenannter „rauher" oder Landeswährung.126 Als Tagesverdienst erscheint dies
exorbitant hoch, wenn man etwa den oben genannten Tageslohn eines Freiburger Zimmermanns
in Höhe von 16 lA Kreuzern, nur knapp ein Fünftel davon, dagegensetzt. Auch andernorts
waren die Löhne bedeutend niedriger. So legte die Tagewerkerordnung für die Residenzstadt
München aus dem Jahr 1657 für Maurer- und Zimmermannsmeister einen Tagesverdienst
von 18 xr fest.127 Sowohl hier als auch beim Freiburger Beispiel ist allerdings anzumerken, dass
es sich bei den Angaben höchstwahrscheinlich um „Nettolöhne" handelte, zu der noch der Wert
der zusätzlich gereichten Tagesverpflegung hinzuzurechnen ist. Wie bereits oben angeführt,
waren solche Nettolöhne zwischen 25 und 80% höher als Löhne, die zusätzlich zur Kost gezahlt
wurden.128 Setzt man also den Freiburger Zimmermannslohn, um einen Mittelwert zu
nehmen, als 50% eines „Bruttolohns", so beliefe sich dieser, der ohne die Naturalleistung der
Verpflegung ausbezahlt würde, auf 32V2 xr. Der oben errechnete Tageshöchstverdienst eines
Hechlers in Kenzingen wäre bei dieser Annahme aber immer noch zweieinhalb mal so hoch.
Auch sonstige Lohnangaben bewegen sich weit unter diesem Niveau.129 Will man nicht, wozu
kein Anlass besteht, die Zuverlässigkeit der Angaben der Encyclopedie über die Tagesleistung
eines Hanfhechlers in Zweifel ziehen, bleibt ein großes Fragezeichen hinsichtlich der ermittelten
Lohndiskrepanz, das auch nicht völlig verschwindet, wenn man große Unterschiede in der
Entlohnung zwischen verschiedenen Berufsgruppen einkalkuliert.130 Zumal fraglich bleibt,
was die Arbeit des Hechlers im Wirtschaftsgefüge der Zeit selbst unter der Annahme eines Zusammenspiels
von sehr großem Mangel und zugleich großem Bedarf an diesen Arbeitskräften
im Vergleich zu anderen Berufen so deutlich anders gestellt haben sollte, dass sich daraus der
oben errechnete, so exorbitant hohe Vorsprung in der Entlohnung erklären ließe. Eine mögliche
Erklärung der scheinbaren Lohndiskrepanz wäre, dass mit der Formulierung des Kenzin-
ger Ratsbescheids nicht allein die reine Hechelarbeit gemeint, sondern unausgesprochen auch
die dem Hecheln vorausgehende, ebenfalls Spezialisten erfordernde Arbeit des Schwingens mit
eingeschlossen war (Abb. 6). Laut „Encyclopedie" konnte ein guter Arbeiter 60 bis 80 Pfund
Hanf am Tag schwingen, wobei, gemessen an der Ausgangsmenge, lediglich 5 bis 7 % Abfall

'-s StadtAKenz, Protokoll vom 30. August 1656. Vgl. Hellwig (wie Anm. 50), S. 100.

126 1 fl = 60 xr; 1 bz = 4 xr. Vgl. Website des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Universität Mainz (wie
Anm. 101), Stichworte „Gulden", „Batzen", „Kreuzer". Zur unterschiedlichen Bewertung des Guldens nach
Reichs- und Landeswährung: Huggle/Ohler (wie Anm. 101), S. 66f. Die Tagesleistung eines Hanfhechlers laut
Encyclopedie (wie Anm. 55), S. 157: „Un peigneur peut preparer jusqu'a 80 livres de chanvre par jour."

127 Elsas (wie Anm. 112), Bd. 1, S. 61.

128 Dito.

>29 Vgl. ebd., S. 61 f. und 69.
'30 Vgl. ebd., S. 70ff.

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