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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 180
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entstanden.131 Das würde bedeuten, dass sich das Tagesarbeitsergebnis eines Hechlers, der den
zu verarbeitenden Hanf vor dem Hecheln erst noch schwingen musste, in etwa halbieren würde
auf dann nur noch 30 bis 40 Pfund. In diesem Fall beliefe sich der Tagesverdienst auf 30 bis
40 xr, ein Lohniveau, das dem errechneten, fiktiven „Bruttolohn" des Freiburger Zimmermanns
entspräche und auch in der Relation zu den oben angeführten Augsburger Maurer- und Zimmerergesellenlöhnen
keine Zweifel weckenden Abweichungen nach oben aufwiese. Somit ist
davon auszugehen, dass der in Kenzingen im September 1656 vom Rat festgelegte Hechlerlohn
von 1 xr sich nicht auf das Pfund geschwungenen Rein- oder Strähnhanf, sondern auf das
Pfund gebrochenen, vor dem Hecheln erst noch zu schwingenden Basthanf bezog.

Zwei ineinandergreifende Gründe dürften das städtische Regiment zu seiner Politik der obrigkeitlich
verordneten Lohnminderung bzw. Festsetzung von Lohntaxen in Kombination mit
der Verhinderung oder zumindest Erschwerung, dieses zu unterlaufen, bewogen haben. Zum
einen war das die allgemeine Agrarkrise, die in Deutschland durch die Verwüstungen und Verluste
des Dreißigjährigen Krieges vielleicht noch verschärft wurde, aber in der Mitte des 17.
Jahrhunderts auch andere europäische Länder ergriff. Die Bevölkerungsverluste führten zu
einer verminderten Nachfrage nach Getreide und damit zum Preisverfall. So betrugen die Roggenpreise
z.B. in Würzburg, Augsburg und München im Zeitraum von 1669 bis 1673 nur 25 bis
30 Prozent des Preisniveaus in der ersten Kriegsphase bis 1624. Dies zog einerseits einen
Verfall der Preise für Bauerngüter nach sich und führte andererseits zu einer wachsenden Verschuldung
der Landwirtschaft.132 Zum anderen hatten die massiven BevölkerungsVerluste
durch den Dreißigjährigen Krieg, gerade auch im Oberrheingebiet als langjährigem Kriegsschauplatz
, nicht nur eine verminderte Nachfrage nach Getreide und anderen landwirtschaftlichen
Produkten zur Folge, sondern ebenso eine Verknappung des Arbeitskräfteangebots. Das
führte dazu, dass beispielsweise im katholischen Kenzingen, das durch den Krieg, die damit
einhergehenden Seuchen und die Flucht oder den Wegzug vieler Einwohner nach der Zerstörung
von 1638 bei Kriegsende nur noch etwa 15 bis 20 Prozent seiner Vorkriegsbevölkerung
von rund 2000 Seelen aufwies,133 offensichtlich auch nichtkatholisches Dienstpersonal eingestellt
wurde. Dies beweist der Ratsentscheid vom 6. April 1661, dass sich während der Oster-
zeit unkatholische Ehehalten, also Knechte und Mägde, der Stadt entäußern, sich außerhalb
der Stadt aufhalten sollten.134

Der Arbeitskräftemangel zog wiederum einen Anstieg der Löhne für landwirtschaftliches
Dienstpersonal nach sich, was die wirtschaftliche Situation der Bauern zusätzlich zu den geringen
Erlösen für ihre Produkte weiter verschärfte:

„In einem ,Gespräch von der wohlfeilen Zeit', das sich in einer Flugschrift von 1652 über ,Das goldene
Zeitalter' findet, klagt ein Bauer, er könne sich nicht genugsam wundern, dass das Getreide so im Preis
gefallen sei; man könne es kaum mehr um Geld hinbringen, sondern müsse es entweder vertauschen oder
halb verschenken. Kein armer Bauer könne für einen Simmer Getreide mehr ein Paar Stiefel kaufen. Zudem
nähmen die teuren und ungeschickten Knechte und Mägde allen Gewinn doppelt hinweg. Vor Jahren
musste eine Magd, wie anno 1631 geschehen, 25 Dörfer auslaufen, bis sie einen Dienst und das ganze
Jahr 10 Pfund Gelds und 10 Ellen Tuchs erlangte. Jetzt ist dieser Lohn zehnfach gestiegen. Nunmehr ist
es besser Knecht als Herr zu sein. Der arme betrübte Landmann weiß nicht mehr seine Rechnung zu ma-

131 Encyclopedie (wie Anm. 55), S. 153.

132 Günther Franz: Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk (Quellen und Forschungen zur Agrarge-
schichte 7). 4., neubearb. u. erw. Auflage, Stuttgart-New York 1979, S. 105ff. Vgl. Elsas (wie Anm. 112), Bd.
2, Teil B, S. 90f.

133 Hellwig (wie Anm. 50), S. 96. 80 % Bevölkerungsverlust: Der Landkreis Emmendingen. Hg. von der Landesar-
chivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Landkreis Emmendingen (Kreisbeschreibungen des
Landes Baden-Württemberg). Stuttgart 2001, Bd. 2, 1. Teilband, S. 454. Der selbe Wert (4/5) bei Dieter Speck:
Kenzingen und Kürnberg. Stadt und Herrschaft in vorderösterreichischer Zeit (1369-1803/06). In: Kenzingen
(wie Anm. 50), S. 135-178, hier S. 157.

134 StadtAKenz, Protokoll vom 6. April 1661.

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