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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 205
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0205
Da das Gesuch auf Genehmigung eines Kinderheims bereits im Februar gestellt wurde,
könnten die Antragstellerinnen noch mit Gassert verhandelt haben; ein Kauf des Hauses kam
jedoch für sie wegen fehlender Mittel nicht in Frage. So schlössen sie nach dem Erwerb des
Anwesens durch Rombach mit diesem umgehend einen Mietvertrag ab, um das Vorhaben vor
Ort vorantreiben zu können: Dr. Elisabeth Müller, aus Hannover anreisend, ließ sich am 13.
April ins Fremdenbuch des Bürgermeisteramts Bollschweil eintragen, und auch Dr. Annerose
Heitier, deren Anwesenheit in Bollschweil erst einiges später, unter dem 17. August, im Fremdenbuch
vermerkt ist, hatte sich bereits im April aus ihrem Heimatort Baden-Baden nach Bollschweil
abgemeldet.7

Auf welchem Wege sich die beiden Frauen zuvor kennengelernt hatten, kann nur vermutet
werden. Es ist jedoch durchaus möglich, dass sie miteinander schon seit ihrem zeitgleichen Studium
an der Universität Heidelberg bekannt waren.8 Nachdem sie nun 1933 aus ihrem jeweiligen
Beruf vertrieben worden waren, hatten sie den gleichen Gedanken verfolgt: sich weiterhin
in der Beschäftigung mit Kindern einen neuen sinnvollen und ihrem bisherigen Tätigkeitsfeld
naheliegenden Broterwerb zu suchen. Elisabeth Müller ging 1933 in die Schweiz, an eine
Kinderklinik in Lausanne, an der Kinderpflegerinnen ausgebildet wurden. Annerose Heitier
fand im April 1934 eine vorübergehende Anstellung in einem Kinderheim im holländischen
Zandvoort.9 Vielleicht geschah dies aber auch schon im Hinblick auf den dann in Bollschweil
realisierten gemeinsamen Plan. Jedenfalls haben beide Frauen sich trotz der weit auseinander
liegenden Beschäftigungsorte nach ihrer Rückkehr rasch zu gemeinsamen Handeln zusammengefunden
.

Für den Plan, in eigener Regie ein Kinderheim aufzubauen, brachten sie durch ihre berufliche
Ausbildung optimale Voraussetzungen mit. Hatte doch Dr. Elisabeth Müller schon als niedergelassene
Kinderärztin in Hannover den Leiter der Wohlfahrtsabteilung der dortigen Synagogengemeinde
Jahre hindurch mit fachärztlichem Rat in der Kinderfürsorge, insbesondere in
Fragen der Ferienkolonien und anderen einschlägigen Fragen, unterstützt. Und mit dem Erholungsheim
der Hannoveraner „Zionsloge" auf Norderney war ihr eines der großen jüdischen
Kinderheime wohlbekannt.10 Dr. Annerose Heitier konnte ihrerseits in das Unternehmen ihre
pädagogischen Erfahrungen als Lehrerin mit einbringen. Den Schwarzwald als Standort des
Heims ins Auge zu fassen, lag nahe: war doch Annerose Heitier in Karlsruhe aufgewachsen
und an der Handelsschule in Baden-Baden, wo ihre Eltern wohnten, bis zu ihrer Entlassung
tätig gewesen. So mag vor allem sie es gewesen sein, die von dort aus, wo sie nach ihrer Rück-

Gassert erwähnt; Adolf Gassert findet sich jedoch dort auch im Kapitel „Auswanderung" nicht. - Franz Rombach
, 1913 in Freiburg geboren, fiel 1940 in Frankreich. Kriegsopfer der Stadt Freiburg im Breisgau 1939-1945.
Freiburg 1954, S. 135. Die Milchhandlung in der Fischerau 26 - das Haus gehörte der Familie Rombach - betrieb
Robert Rombach (s. Adressbuch der Stadt Freiburg 1934), gemeinsam mit dem Sohn Franz, für den er das
Bollschweiler Anwesen erwarb.

7 Mitteilung des Grundbuchamts Bollschweil vom 6.2.2002 bzw. des Stadtarchivs Baden-Baden vom 3.6.2002.
Elisabeth Müller hatte sich in Hannover am 8.4.1935 abgemeldet. Stadtarchiv Hannover (StadtAH), Meldekarte
Elisabeth Müller.

8 Allerdings verbrachten sie nur das Winterhalbjahr 1918/19 gemeinsam in Heidelberg. Doch müssten sie sich angesichts
der sehr geringen Zahl jüdischer Studentinnen dort kennengelernt haben. Vgl. Personalverzeichnis der
Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg. Winterhalbjahr 1918/19. Heidelberg 1918. - Ob Elisabeth Müller verwandtschaftliche
Beziehungen zu den in einigen Orten Badens, u. a. auch in Baden-Baden und Freiburg, lebenden
jüdischen Familien Müller hatte, war nicht zu ermitteln.

g Soweit im Folgenden Angaben zu A. Heitier und E. Müller nicht eigens belegt sind, finden sich die Nachweise
in den angeschlossenen Biographien.

10 Das Kindererholungsheim der Zionsloge war von Mai bis Ende September geöffnet, verfügte über 100 Betten
und 27 Erzieher und Pflegepersonen. Vgl. die Hinweise bei Hildegard Feidel-Mertz/Andreas Paetz: Ein verlorenes
Paradies. Das Jüdische Kinder- und Landschulheim Caputh (1931-1938). Frankfurt/M. 1994, S. 26ff. und
30ff.

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