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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 207
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wurde, anders als beim Dürrheimer Hospiz, wenig später mit einer Ausnahmegenehmigung
ausdrücklich bewilligt. Doch nach der Deportation der Baden-Badener Juden nach Gurs im Oktober
1940, von der auch sieben Gäste des Erholungsheims betroffen waren, musste das Haus
geschlossen werden.15

Insgesamt gab es derartige Heime der jüdischen Heil- und Erholungsfürsorge für Kinder, Jugendliche
und Erwachsene im Deutschen Reich in beachtlicher, allerdings nicht genau zu verifizierender
Zahl: 1932 sollen es etwa 50 Kur- und Erholungsheime gewesen sein, davon 26
für Kinder. 1935 waren der Zentralwohlfahrtsstelle der Deutschen Juden neben den zwei oben
genannten Heimen in Bad Dürrheim und Baden-Baden noch 15 weitere Kindererholungsheime
direkt unterstellt.16

Bis 1933 unterschieden sich die Bedingungen, unter denen die jüdische Kinder- und Jugendfürsorge
stand, kaum von denen der christlichen Fürsorgetätigkeit. Das änderte sich unter
den Nationalsozialisten sofort. So wurden etwa den jüdischen Jugendlichen - mit dem rasch
erfolgten Ausschluss des Verbandes der Jüdischen Jugendvereine aus dem Deutschen Reichs-
ausschuss der Jugendverbände - alle Vergünstigungen, die Jugendvereine beanspruchen konnten
, entzogen. Das hatte unter anderem zur Folge, dass sie nicht mehr in den Deutschen Jugendherbergen
aufgenommen wurden, eine Maßnahme, die die Ferienerholung schwer traf.17
Einladungen zu Ferienaufenthalten ins Ausland, welche die Zentralwohlfahrtsstelle für eine
größere Zahl von erholungsbedürftigen Kindern erhielt, durften auf behördliche Weisung hin
bald nicht mehr wahrgenommen werden.18 Zunehmend verwehrte man jüdischen Jugendlichen
auch den Zutritt zu den Badeanstalten, zu Sport- und Spielplätzen, zu Theatern und Bibliotheken
, ja teilweise zu den öffentlichen Parks, wodurch den Kindern und Jugendlichen viele Möglichkeiten
der Erholung und Unterhaltung genommen waren.19 Hinzu trat ganz allgemein eine
je länger, je mehr sich verschärfende Isolierung von den christlichen Altersgenossen durch die
sich mehrenden Anfeindungen im Alltag. Alle diese Erfahrungen zwangen dazu, nach zusätzlichen
Möglichkeiten der Kindererholung in möglichst ungestörter Umgebung Ausschau zu
halten.20

Fatalerweise musste in dieser Situation eine Anzahl von Heimen aus wirtschaftlichen Gründen
vorübergehend oder ganz geschlossen werden. Einige wurden zudem durch örtliche Willkürmaßnahmen
gezwungen, ihren Betrieb einzustellen. Gut dokumentiert sind etwa die Vor-

15 Mitteilung des Stadtarchivs Baden-Baden vom 16.6.2005. Vgl. zum Heim auch Informationsblätter (wie Anm.
13) (1935), Nr. 4/5.

16 Vgl., auch für das Folgende, die detaillierte Aufstellung der Zentralwohlfahrtsstelle mit genauen Angaben zu Trägerschaft
der Kinderheime, Platzzahl, Öffnungszeiten, Alter der Kinder usw. in: Informationsblätter (wie Anm.
13) (1935), Nr. 4/5. Nicht alle Kindererholungsheime unterstanden aber offenbar der Zentralwohlfahrtsstelle direkt
; so fehlt in der Aufstellung etwa das Heim der Zionsloge auf Norderney und das in Lehnitz, die Lütkemeier
(wie Anm. 12), S. 142f., aufführt, die ihrerseits aber offensichtlich die obige Aufstellung nicht kennt und nur 14
Kindererholungsheime nennt, obwohl es ihr zufolge 1932 insgesamt 26 Kur- und Sanatoriumsheime für Kinder
gegeben haben soll. Vgl. auch Kurt Düwell: Die Rheingebiete in der Judenpolitik des Nationalsozialismus vor
1942 (Rheinisches Archiv 65). Bonn 1968, S. 161ff. („Kinderfürsorge").

17 Der Reichsausschuss der Jüdischen Jugendverbände bemühte sich daraufhin um den Aufbau eines jüdischen Jugendherbergswerks
in Deutschland. In jeder Gemeinde sollten den Jugendlichen Übernachtungsplätze in Lagern
bereitgestellt werden. Informationsblätter (wie Anm. 13) (1933), Nr. 4 bzw. Nr. 10.

18 Informationsblätter (wie Anm. 13) (1933), Nr. 3. Arbeitsbericht des Zentralausschusses der Deutschen Juden für
Hilfe und Aufbau für das Jahr 1936. Berlin 1937, S. 68: Von den ergangenen Auslandseinladungen für Ferienkinder
in die Tschechoslowakei, Holland, Polen Gebrauch zu machen, wurde uns leider nicht gestattet.

19 Arbeitsbericht (wie Anm. 18), 1935, S. 46. Schalom Adler-Rudel: Jüdische Selbsthilfe unter dem Naziregime
1933-1939. Tübingen 1974, S. 172. Werner T Angress: Jüdische Jugend zwischen nationalsozialistischer Verfolgung
und jüdischer Wiedergeburt. In: Die Juden im nationalsozialistischen Deutschland 1933-1943. Hg. von
Arnold Paucker (Schriftenreihe wissenschaftlicher Abhandlungen des Leo Baeck Instituts 45). Tübingen 1986,
S. 211-221, hierS. 212f.

20 Vgl. für die Frankfurter jüdische Gemeinde Beate Göhl: Jüdische Wohlfahrtspflege im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 1933-1943. Frankfurt/M. 1997, S. 43f. und 55f.

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