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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 212
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0212
zug kann als Indiz dafür gelten, dass die Verhältnisse im Dorf jüdischen Menschen ein weitgehend
unbehelligtes Leben zu garantieren versprachen - auf das die Leiterinnen des jüdischen
Kinderheims ebenfalls hoffen durften, als sie Ende 1934 Bollschweil als möglichen Ort der
Niederlassung ins Auge fassten. Und in der Tat ging die Einrichtung des Heims problemlos
vonstatten; offene Proteste der Dorfbewohner oder gar Versuche, die Ansiedlung des Heims
durch Einflussnahme auf die Bezirksverwaltung oder den Vermieter zu hintertreiben, sind nicht
festzustellen. Wenn Bürgermeister Schneider freilich 1947 im Entnazifizierungsverfahren anführte
, das Israelitische Kinderheim sei 1934 mit seiner Genehmigung errichtet worden,41 so
wäre hier doch eher von stillschweigender Akzeptanz zu sprechen; einer zusätzlichen Genehmigung
durch das Bürgermeisteramt bedurfte es damals nicht.

Die Duldung des Heims wurde erleichtert durch dessen abgeschiedene Lage im Leimbachtal
, fast als letztes von nur wenigen anderen Anwesen. So blieb der Kontakt der Heiminsassen
mit den Dorfbewohnern auf ein Minimum beschränkt - ein Vorteil übrigens auch für das Heim.
Denn so durfte man hoffen, dass man weitgehend ungestört seinen Aktivitäten nachgehen
konnte. Andererseits war das Oberdorf, aus dem das Heim seine Versorgung bezog, durchaus
noch bequem erreichbar.

Die Lage des Hauses bot ferner die für einen Erholungsaufenthalt notwendige Ruhe, und die
direkte Nähe von Wald und Talwiesen sorgte nicht nur für gute klimatische Bedingungen, sie
schuf auch hinreichend Raum und Gelegenheit für Spiele und Wanderungen.

Von der Größe her hatte das Anwesen den gewünschten oder doch zumindest einen ausreichenden
Zuschnitt, obwohl die meisten jüdischen Kinderheime eine höhere Zahl an Plätzen -
zwischen 30 und 100 - anbieten konnten.42 Das Staufener Bezirksamt hatte zwar zunächst mit
Rücksicht auf die Größe der Zimmer, Beschaffenheit der Betten und Lichtzutritt nur eine Belegung
mit höchstens 12 Kindern gestattet, die getrennt nach Geschlechtern unterzubringen waren
. Doch nach einigen Umbaumaßnahmen, die der neue Besitzer Rombach durchführen ließ,
hieß es im Baubescheid: Der Belegung des Hauses mit 24 Kindern stehen Bedenken nicht entgegen
.43 Diese Möglichkeit scheint in der Folgezeit auch genutzt worden zu sein; selbst gegen
Ende 1938, als das Heim schon um sein Überleben kämpfen musste, waren noch 15 Kinder im
Haus untergebracht.44

Aufgenommen wurden, wie dem Bescheid des Bezirksamts zu entnehmen ist, Jungen und
Mädchen, vermutlich, wie andernorts häufig, im Alter von etwa 4 bis 16 Jahren - doch variierte
die Anforderung an das Alter der Kinder bei den einzelnen Heimen je nach den Möglichkeiten
der Häuser.45 Dass Erwachsene Aufnahme fanden, war sicher die Ausnahme: so verbrachte
im Mai 1937 eine asthmakranke Freundin der Familie Müller vier Wochen in der „Sonnenhalde
". Gelegentlich hielten sich Verwandte der Kinder oder der Leiterinnen im Heim auf,
die diese Gelegenheit nutzten, wenigstens für kurze Zeit dem bedrückenden Alltag zu entfliehen
.46

Erwin und Rosemarie nach Baden. Der Sohn emigrierte später nach Frankreich. Ende November 1937 zog das
Ehepaar nach Freiburg. Paula Riidell wurde noch am 13.2.1945 mit dreizehn weiteren Freiburgerinnen und Frei-
burgern nach Theresienstadt verschleppt; sie kehrte Ende Juni des Jahres zurück. Gemeindeverwaltung Bollschweil
, Fremdenbuch. StAF, L 50/1 Nr. 12357 (Personalakte Joseph Rüdell). StadtAF, C5/2587 (Fürsorge für
politisch Verfolgte, 1945-1950); Meldekartei (Meldekarten Joseph. Paula. Rosemarie Rüdell).

41 Das Israelitische Kinderheim wurde 1934 hier mit meiner Genehmigung errichtet. Jahrelang hatte ich Vorwürfe
hierwegen einzustecken. StAF. D 180/2 (Spruchkammerakten) Nr. 130.228 (Entnazifizierung Schneider, Bernhard
, Landwirt und ehem. Bürgermeister in Bollschweil).

42 Vgl. Informationsblätter (wie Anm. 13) (1935), Nr. 4/5. Siehe auch Anm. 10.

43 Wie Anm. 4.

44 Ilse Eisenstein aus Frankfurt an Grete Eichenberg in Palästina, 16.9.1938. Familienarchiv Eilon.

45 Vgl. Informationsblätter (wie Anm. 13) (1935), Nr. 4/5.

46 Angelika Müller, Dr. Elisabeth Müllers Mutter, am 7.1.1937 an Grete Eichenberg in Palästina: Frau Dr. Mundheim
starb anfangs November, nachdem sie recht viel zu leiden hatte (Asthma), sie lebte ja der Luft wegen seit

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