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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 213
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0213
Das Heim war, im Gegensatz zu vielen anderen, die nur im Sommer Kinder aufnahmen,
ganzjährig geöffnet. So verbrachten die beiden - vier Jahre später mit ihrer Mutter ermordeten
- Töchter von Ilse Eisenstein aus Frankfurt, einer Cousine Elisabeth Müllers, dort die Weihnachtsferien
1937/38, in der Hoffnung auf Schnee, der aber nicht kam.41 Nur ab November war
das Haus, da das übliche, für einen Erholungsaufenthalt ungeeignete Regenwetter zu erwarten
war, für sechs Wochen geschlossen; die Heimleiterinnen nutzten dann die Zeit zu Familien-
und Verwandtenbesuchen.48

Die Dauer des Heimaufenthalts dürfte in der „Sonnenhalde" - wie in den meisten jüdischen
Kinderheimen - in der Regel vier bis sechs Wochen betragen haben. Für die Kosten hatten die
Eltern der Kinder aufzukommen. Da das Heim keinen Gewinn abwarf - nur mit Mühe konnte
die erforderliche Kostendeckung erreicht werden49 -, war es wohl nicht möglich, bedürftigen
Kindern kostenlose Aufnahme zu gewähren, wie andere Heime, die über ein Stiftungsvermögen
verfügten, dies vermochten.

Aus welchen Städten die Kinder stammten, die nach Bollschweil kamen, ist nur in wenigen
Fällen direkt zu belegen. Ursula Rosenberg, Elisabeth Müllers Nichte, begleitete Anfang August
1937 sieben Kinder von Bollschweil nach Frankfurt, die von dort aus weiter nach Hannover
fuhren.50 Dies wird nicht die einzige Gruppe gewesen sein, die aus Elisabeth Müllers
Heimatort stammte, denn es ist naheliegend, dass sie angesichts ihrer seit langem bestehenden
Kontakte zur Wohlfahrtsstelle der jüdischen Gemeinde Hannover den dortigen Großstadtkindern
Erholungsaufenthalte in ihrem Heim vermittelte. Aber auch aus Frankfurt, wohin sie verwandtschaftliche
Beziehungen und damit wohl auch Kontakte zur Jüdischen Gemeinde hatte,
sind Kinder nach Bollschweil in die „Sonnenhalde" gekommen, vermutlich nicht nur aus ihrer
Verwandtschaft wie etwa - neben Inge und Ruth Eisenstein - die 16jährige Ursula Rosenberg,
die im Frühjahr 1937, nachdem sie bereits in Frankfurt ein Jahr Haushaltsschule absolviert
hatte, für ein halbes Jahr an das Kinderheim ging. Sie wollte sich dort in Hauswirtschaft und
Kinderpflege ausbilden lassen,51 für die, wie bereits bemerkt, Elisabeth Müller als Kinderärztin
bestens gerüstet war, während für den Bereich Hauswirtschaft Annerose Heitier zuständig
war, die auch ihre Kenntnisse aus ihrer Lehrtätigkeit einbringen konnte - sie unterrichtete ihren

zwei Jahren teils in Garmisch-Partenkirchen, war auch den Maimonat bei Lieschen. - Rosel Rosenberg am
3.7.1937 an ihren Sohn Kurt: Anneliese F. ist für 14 Tage in Bollschweil, da ist Ursel natürlich glücklich. - Ursula
Rosenberg am 26.5.1937 aus Bollschweil an ihren Bruder Kurt: Über Pfingsten [hatte ich] Frankfurter Besuch
auf 3 Tage hier. Familienarchiv Eilon. Vgl. Oliver Doetzer: „Aus Menschen werden Briefe". Die Korrespondenz
einer jüdischen Familie zwischen Verfolgung und Emigration (Selbstzeugnisse der Neuzeit, 11). Köln
u. a. 2002, S. 48ff. („Große und kleine Fluchten - Urlaube und Kuren"). Die Arbeit von O. Doetzer wertet die
im Familienarchiv Eilon liegende Korrespondenz der mit Elisabeth Müller verwandten Familien Rosenberg, Eisenstein
und Eichenberg aus.

47 Brief vom 7.1.1937, wie Anm. 46. - Ilse Eisenstein wurde mit ihren Kindern Inge und Ruth 1942 nach Estland
deportiert und dort ermordet. Vgl. Doetzer (wie Anm. 46), S. 205f.

48 Therese Magnus aus Hannover am 9.10.1936 an Grete Eichenberg in Palästina: Lieschen kommt bald mal her,
denn ich glaube, im November schließen sie. - Angelika Müller aus Hannover am 7.1.1937 an Grete Eichenberg:
Unser Lieschen war von circa Mitte November an einen Monat bei uns auf Besuch. Vgl. auch Rosel Rosenberg
am 20.11.1936 bzw. Ilse Eisenstein am [?].l 1.1938 an Grete Eichenberg. Familienarchiv Eilon.

49 Vgl. die eidesstattliche Erklärung der Schwester Elisabeth Müllers, Marga Goldschmidt, vom 17.9.1957. Hauptstaatsarchiv
Hannover (HStAH), Nds. 110 W Acc. 105/93 Nr. 960 (Wiedergutmachung Margarete Goldschmidt
als Erbin der Elisabeth Müller).

50 Ursula Rosenberg aus Bollschweil, Kinderheim, an ihren Bruder Kurt in Wetzlar, 6.8.1937. Familienarchiv Eilon
.

51 Ursel hoffen wir, den Sommer über an Lieschen nach Sonnenhalde zu geben. Sie hat dann 1 Jahr Haushaltsschule
hinter sich. Rosel Rosenberg aus Frankfurt am 25.10.1936 an Grete Eichenberg in Palästina. - Gegen Ende
September wird Ursel aus Bollschweil wieder nach Hause kommen, wo sie ein halbes Jahr als Helferin in einem
Kinderheim tätig war und sich sehr bewährt hat. Sie soll dann Schneidern und eventuell Putzmachen lernen und
möchte sich dann gern als nurse ausbilden lassen. Georg Rosenberg aus Frankfurt an Gustav Rosenberg, USA,
24.8.1937. Familienarchiv Eilon.

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