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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 227
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dischen Bürger von antisemitischer Seite mit zunehmender Kriegsdauer immer aggressiver beschuldigt
worden waren, sich aus Feigheit vor dem Dienst an der Front zu drücken, sollte die
Zahl der jüdischen Frontkämpfer und die der ,Drückeberger', der in der Etappe und in der
Kriegswirtschaft beschäftigten Juden, ermittelt werden, angeblich, um damit die antisemitischen
Vorwürfe auszuräumen. Doch wurde nie ein Ergebnis veröffentlicht. Der Vorgang löste
bei den deutschen Juden tiefe Enttäuschung und Empörung aus, da ja gerade sie ihren Patriotismus
bei Ausbruch des Krieges ganz besonders hatten beweisen wollen103 - und den Nachweis
für diesen vaterländischen Einsatz suchte auch Theilhaber mit seiner Sammlung exemplarischer
Fliegerviten zu führen.104

Die Judenzählung* ließ auch Ernst Müllers Verbindung, die „Salia", die sich bis dahin in ihrer
konfessionell neutralen Haltung jeder Diskussion der ,Judenfrage' entzogen hatte, nicht
mehr unberührt: Gibt es, heißt es in ihrer Stellungnahme vom Dezember 1916, keine Vereinigung
, die sich an hoher Stelle laut gegen diese Beleidigung der jüdischen Soldaten wendet?!
Wir lassen unsere toten Bundesbrüder nicht beleidigen.105 Auf diesem Hintergrund wird die herausgehobene
Ehrung, welche die Verbindung ihren im Weltkrieg gefallenen Mitgliedern - neben
Ernst Müller starben weitere 17 aktive und inaktive Bundesbrüder - zukommen ließ, besonders
verständlich. Nach Kriegsende ließ die „Salia" einen aufwendigen dreiflügeligen Gedenkschrein
mit den Portraits und Lebensdaten der Gefallenen fertigen, der bis zur Auflösung
der Verbindung nach 1933 auf dem Verbindungshaus stand.106 Die zeittypische Symbolik des
Schreins ist deutlich:107 Unter dem Verbindungswappen mit dem Wahlspruch Fest stehen immer,
still stehen nimmer zeigt der Mittelteil die Widmung Unseren im Weltkrieg gefallenen Kameraden
über einem lorbeerbekränzten Stahlhelm mit Bajonett, Handgranate und Pistole - Attribute
des Soldaten, die zugleich Kampfgeist, Heldenmut und Opferbereitschaft symbolisieren sollten.
Eigenschaften, die den jüdischen Kriegsteilnehmern so oft abgesprochen wurden und die deshalb
für die gefallenen Verbindungsbrüder der „Salia" - die weitaus meisten von ihnen, wenn
nicht alle, entstammten jüdischen Familien - umso deutlicher herauszustellen waren.108

103 Peter Pulzer: Der Erste Weltkrieg. In: Deutsch-Jüdische Geschichte in der Neuzeit. Bd. 3 (wie Anm. 93), S.
356-380, hier S. 359ff. und 366ff. Paul-Mendes-Flohr: Im Schatten des Weltkrieges. In: Deutsch-Jüdische Geschichte
in der Neuzeit. Bd. 4: Aufbruch und Zerstörung 1918-1945. München 2000, S. 15-36, hier S. 16ff.

104 Dem gleichen, letztendlich vergeblichen Anliegen diente der vom Reichsbund jüdischer Frontsoldaten herausgegebene
Band: Die jüdischen Gefallenen des deutschen Heeres, der deutschen Marine und der deutschen
Schutztruppen 1914-1918. Berlin 21932 (S. 237: Ernst Adolf Müller). - Zum Reichsbund jüdischer Frontsoldaten
, dem Theilhabers Werk gewidmet ist und der 1919 mit dem Ziel gegründet worden war, die Ehre der jüdischen
Frontsoldaten und damit aller deutschen Juden zu schützen, vgl. Ulrich Dunker: Der Reichsbund jüdischer
Frontsoldaten 1919-1938. Geschichte eines jüdischen Abwehrvereins. Düsseldorf 1977, ferner Avraham
Barkai: Die Organisation der jüdischen Gemeinschaft, sowie Ders.: Organisationen und Zusammenschluss. In:
Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit. Bd. 4 (wie Anm. 103), S. 74-101, hier S. 96ff. sowie S. 249-271,
hier S. 264ff.

105 Die Erfahrungen des Weltkrieges führten die „Salia" ab 1919 dazu, von dem verlogenen Begriff paritätisch abzurücken
und sich als jüdische Verbindung zu bekennen. Vgl. Reichmann (wie Anm. 95), S. 581.

106 Der Schrein befindet sich heute in der Tahara-Halle des Würzburger jüdischen Friedhofs. Israel Schwierz: „Für
das Vaterland starben..." Denkmale und Gedenktafeln bayerisch-jüdischer Soldaten. Aschaffenburg 1998, S.
296ff.

107 Vgl. für die Freiburger Verbindungen Ute Scherb: „Wir bekommen die Denkmäler, die wir verdienen." Freiburger
Monumente im 19. und 20. Jahrhundert (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau
36). Freiburg 2005, S. 108ff.

108 Auch Theilhaber legte deshalb Wert auf den Abdruck des Beileidsschreibens, den Ernst Müllers Staffelführer an
dessen Eltern richtete, in dem es heißt: Soeben von einer dienstlichen Reise zurückgekehrt, ... [werde ich] leider
vor die traurige Tatsache [gestellt], dass Ihr Herr Sohn Ernst und mein trefflicher Beobachter den Heldentod
gefunden hat. Die ganze Staffel wird hierdurch mit mir in die aufrichtigste Trauer versetzt. Wir alle möchten Ihnen
und Ihrer hochgeschätzten Familie unser allertiefstes und inniges Beileid aussprechen für den schweren
Schlag, der Sie durch den Heldentod meines einzig schneidigen Beobachters und unseres lieben, teuren und heiteren
Kameraden getroffen hat. Meine wie zu Eisen geschmiedete Staffel, durch Bestehung gemeinsamer Ge-

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