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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 229
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0229
versität Würzburg, an der er auch im Wintersemester studierte. Im Sommer 1920 war er, wie es
scheint, an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau eingeschrieben, deren
Abgangszeugnis vom November des Jahres er jedenfalls bei seiner Rückkehr nach Würzburg
zum Wintersemester 1920/21 vorlegte. Der Aufforderung des Rektorats vom Mai 1921, seine
Einschreibung zu erneuern, ist Georg Müller nicht nachgekommen.111 Wo er sein Studium beendet
hat, an welcher Universität er im Fach Jura promoviert wurde, ist bisher nicht bekannt.

Es ist nun durchaus denkbar, zumal die Familienüberlieferung nicht völlig aus der Luft gegriffen
sein kann, dass Georg Müller einem Freikorps112 angehört und an Kämpfen teilgenommen
hat. Denn Studenten waren ein ganz wesentlicher Faktor in den Reihen der Freikorpsverbände
, und es beteiligten sich an ihnen, obwohl diese nicht frei waren von antisemitischer Agitation
, auch jüdische Studenten und jüdische Frontkämpfer. Ob Georg Müller an Einsätzen im
Innern oder an der deutschen Ostgrenze beteiligt war, muss offen bleiben. Es ist aber denkbar,
dass er in Würzburg einem jener Freikorps beigetreten ist, die sich gegen die bayerische Räterepublik
richteten.113 Andererseits könnten sein Studienaufenthalt in Breslau und sein regelwidriger
' Abgang aus Würzburg darauf hindeuten, dass er 1920 in Oberschlesien aktiv gewesen
ist und dass er dann auch in den dortigen Kämpfen des Folgejahres mitgewirkt hat. Doch
bleibt das Vermutung, so wie die Hintergründe seines Todes im Dunkeln bleiben. Der Sterbeeintrag
des Standesamts Berlin-Grunewald besagt nur, dass Dr. jur. Georg Müller, wohnhaft in
Mannheim, ... am 26. Mai 1922 gegen 20 Uhr in Berlin-Grunewald, im Jagen 152, tot aufgefunden
worden ist. Er hat demnach im Grunewald, und zwar im forstwirtschaftlichen Distrikt
Nr. 152 nahe der Havel, den Tod gefunden.114 Die Todesursache konnte nicht ermittelt werden.
Auffallend ist, dass Georg Müller nicht in den von der Charite Berlin geführten „Hauptbüchern
über Obduktionen", die bei unnatürlichen Todesfällen vorgenommen wurden, erscheint.115 Der
Arzt, der den Totenschein ausstellte, hat demnach nichts festgestellt, was einer Klärung durch
Obduktion bedurft hätte. Dass der Tod Georg Müllers, wie familiär überliefert, seine Ursache

111 Mitteilung des Universitätsarchivs Würzburg vom 16.1.2006. - Merkwürdigerweise ist Georg Müller im Verzeichnis
der Studierenden der Universität Breslau zum Sommersemester 1920 nicht aufgeführt; vgl. Personalverzeichnis
der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, SS 1920. Breslau 1920.

112 Vgl. Hagen Schulze: Freikorps und Republik 1918-1920 (Militärgeschichtliche Studien 8). Boppard a. Rh.
1969. Hannsjoachim W. Koch: Der deutsche Bürgerkrieg. Eine Geschichte der deutschen und österreichischen
Freikorps 1918-1923. Berlin u.a. 1978.

113 Der kriegsfreiwillige jüdische Dozent an der Technischen Hochschule Karlsruhe Stefan Goldschmidt, der nach
vier Jahren als hochdekorierter Frontkämpfer zurückkehrte, trat 1919, als die Räterepublik ausgerufen wurde, in
Würzburg einem Freikorps bei. Klaus-Peter Hoepke: Jüdische Gelehrte und Studierende an der Technischen
Hochschule Karlsruhe 1825-1933. In: Juden in Karlsruhe. Beiträge zu ihrer Geschichte bis zur nationalsozialistischen
Machtergreifung. Hg. von Heinz Schmitt (Veröffentlichungen des Karlsruher Stadtarchivs 8). Karlsruhe
1988, S. 321-344, hier S. 334. - Insgesamt trat aber wohl nur eine kleine Zahl von Juden „den völkischen
gegenrevolutionären Freikorps" bei. Avraham Barkai: Politische Orientierungen und Krisenbewusstsein. In:
Deutsch-Jüdische Geschichte in der Neuzeit. Bd. 4 (wie Anm. 103), S. 102-104, hier S. 103. - Zum Antisemitismus
in den Freikorpsverbänden vgl. Jochmann (wie Anm. 102), S. 469.

114 Sterbeeintrag des Standesamts Berlin-Grunewald Nr. 81/1922. Anlage zur Wiedergutmachungsakte Margarete
Goldschmidt; wie Anm. 49. Durch Geburtsdatum und -ort ist die Identität zweifelsfrei gesichert. - „Jagen" ist der
in Preußen gebräuchliche forstwirtschaftliche Begriff für einen Walddistrikt. Die einzelnen Distrikte sind mit arabischen
Ziffern gekennzeichnet; die Nr. 152 findet sich nahe der Havel. Mitteilung des Landesarchivs Berlin vom
1.8.2007. - In den Hannoveraner Zeitungen - Anzeiger, Kurier und Landeszeitung - fand sich keine Todesanzeige
für Georg Müller. Mitteilung der Stadtbibliothek Hannover vom 24.1.2006. - Sein Aufenthalt in Mannheim
konnte nicht nachgewiesen werden. Mitteilung des Stadtarchivs Mannheim vom 13.6.2005. - Auffälligerweise
hielt die OFD Hannover noch 1943 bei der Beschlagnahme des Restvermögens der verstorbenen Eheleute Siegfried
Müller fest, dass einer der eigentlich Erbberechtigten, der Sohn Georg, seit 1924-25 verschollen sei. HStAH,
Hann. 210 Acc. 2004/23 Nr. 1261 (Dr. Elisabeth Müller: Einziehung jüdischer Vermögenswerte, 1942-1925).

115 Mitteilung des Universitätsarchivs der Humboldt-Universität Berlin vom 4.1.2006. - Auch in den Justiz- und Polizeibeständen
des Landesarchivs fand sich kein Hinweis auf Georg Müller, und ebenso wenig in der Wochenzeitung
„Grunewald-Echo", in der man bei außergewöhnlichen Umständen eine Notiz hätte erwarten können.
Mitteilung des Landesarchivs Berlin vom 16.8.2005/19.10.2007.

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