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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 246
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hohe Ansehen verlieh, das der Inhaber eines universitären Lehrstuhls genoss. Dessen Position
war damals für einen Juden, der zu seinem Glauben hielt und sich nicht taufen ließ, nur schwer
erreichbar.183 Selbst an der Karlsruher Technischen Hochschule, die doch „auf der Treppe des
gesellschaftlichen Prestiges ... etliche Stufen unterhalb der Universitäten" stand, waren die jüdischen
Dozenten in der Mehrzahl schon vor ihrer Berufung zum Protestantismus übergetreten
oder stammten aus Familien, die diesen Schritt bereits vollzogen hatten.184 Dennoch herrschte
- und das mag für Adolf Heitier ein weiterer wichtiger Grund für seine Bewerbung gewesen
sein - in Baden unter Großherzog Friedrich I., der mehrfach gegen antijüdische Tendenzen einschritt
, ein liberaleres Klima; der auch dort nicht unbekannte Antisemitismus kam jedenfalls
mit weniger schrillen Tönen daher als in anderen Teilen des Reichs, zumal im preußischen Berlin
. War doch dort die antisemitische Welle, die zu Anfang der 1890er Jahre die politische Landschaft
überflutet hatte, soeben erst abgeklungen und bei den Betroffenen keineswegs schon vergessen
.185

Dass Adolf Heitier Jude und nicht konvertiert war, hat bei seiner Bewerbung, wenn man den
Akten folgen kann, keine Rolle gespielt. Er war auch nicht der erste jüdische Lehrer an der
Baugewerkeschule. Zehn Jahre zuvor war der angesehene pfälzische Architekt Ludwig Levy
nach Karlsruhe berufen worden, der später mit dem Baureferat im Ministerium des Innern betraut
wurde.186 Wie bei diesem entschied auch bei Adolf Heitier die fachliche Qualifikation, zumal
außer Frage stand, dass er zur Schicht der in der Gesellschaft integrierten, mit der deutschen
Kultur eng verbundenen Juden zählte, deren Haltung häufig von einer wachsenden Distanz
zum Religiösen geprägt war. So fühlte sich auch Adolf Heitier zwar durchaus noch seiner
jüdischen Herkunft verbunden. Doch dem aktiven Gemeindeleben standen er und seine Familie
eher fern, wie der jüngste Sohn Walter in seinen Lebenserinnerungen berichtet: Einmal im
Jahr, am Versöhnungstage, ging man in die Synagoge, wie es sich eben gehörte. Und nur die
Mutter las oft für sich in einem Gebetbuch und in der Bibel.lgl

Als Adolf Heitier seinen Dienst an der Baugewerkeschule antrat, befand sich die Maschinenbauabteilung
, die 12 Jahre zuvor begründet worden war, immer noch am Anfang ihrer Entwicklung
zu einem leistungsfähigen Lehrinstitut. Insgesamt waren bis dahin die technischen
Abteilungen, im Vergleich etwa mit der von Ludwig Levy geführten Abteilung Architektur, personell
wie finanziell stark vernachlässigt worden. Für die Maschinenbauabteilung änderte sich
das nun rasch; der Ausbau gelang unter Heitier, der auch im Fach Elektrotechnik unterrichtete,
in kurzer Zeit. So war es nur konsequent, dass er 1911 bei der Neuordnung der internen Zuständigkeiten
zum Vorstand der Abteilung Maschinenbau ernannt wurde. Schon 1908 hatte ihm

183 Wie effektiv sich meist die Lehrkörper der deutschen Universitäten gegen jüdische Wissenschaftler, die sich
nicht taufen lassen wollten, abschotteten, schildert an einem Beispiel aus seiner eigenen Familie - am Beispiel
des Literaturwissenschaftlers Arthur Eloesser - W. Michael Blumenthal: Die unsichtbare Mauer. Die dreihundertjährige
Geschichte einer deutsch-jüdischen Familie. München/Wien 1999, S. 294ff.

184 Klaus-Peter Hoepke: Hochschullehrer-Biographien. In: Juden in Karlsruhe (wie Anm. 113), S. 439-450.

185 Blumenthal (wie Anm. 183), S. 298ff. und 318. - Zum Antisemitismus in Baden vgl. Adolf Lewin: Geschichte
der badischen Juden seit der Regierung Karl Friedrichs (1738-1909). Karlsruhe 1909, S. 353ff. - Zur
Haltung Friedrichs I. vgl. Lore Schwarzmaier: Großherzog Friedrich I. und der Antisemitismus in Baden. In:
Badische Synagogen aus der Zeit von Großherzog Friedrich I. in zeitgenössischen Photographien. Hg. von
Franz-Josef Ziwes. Karlsruhe 1997, S. 25-32.

186 August Stürzenacker: Ludwig Levy. In: Badische Biographien. Bd. 6. Heidelberg 1935, S. 421-423. Ludwig
Levy hat sich vor allem als Synagogenarchitekt einen Namen gemacht. Von ihm stammten neben sechs Synagogen
andernorts auch drei in Baden: die in Pforzheim, Rastatt und Baden-Baden, dem späteren Wohnsitz der
Familie Heitier. Vgl. Hannelore Künzl: Synagogen in Baden. In: Juden in Baden 1809-1984. Hg. vom Oberrat
der Israeliten Badens. Karlsruhe 1984, S. 71-89, hier S. 85ff.; ferner Wilfried Rössling: Synagogen im
Großherzogtum Baden. Bemerkungen zu Architektur und Stil. In: Badische Synagogen (wie Anm. 185), S. 75-
82, hier S. 79f.

187 Heitler: Lebenserinnerungen (wie Anm. 177). Vgl. Anm. 98.

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