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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 249
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verschuldet worden, die ihren unheilvollen Einßuss nun von der Politik und Wirtschaft auch
auf den Wissenschaftsbetrieb auszudehnen suchten.198

Diese antisemitischen Angriffe mögen Hans Heitier in seinem Entschluss bestärkt haben,
sich der Karlsruher jüdischen Studentenverbindung „Badenia" anzuschließen.199 Die „Bade-
nia" war 1905 als jüdische farbentragende und schlagende Verbindung gegründet worden. Die
jüdischen Studierenden reagierten damit, wie bereits geschildert, auf die Tatsache, dass die bestehenden
Studentenverbindungen ihnen den Zutritt verwehrten, weil sie, wie ihnen so absurd
wie diskriminierend unterstellt wurde, weder deutsch zu empfinden noch deutsch zu handeln in
der Lage seien. Offizielle Anerkennung durch den Senat fand die „Badenia" erst 1919. Ihre
Mitglieder - und mit ihnen Hans Heitier - bekannten sich zum Verfassungsstaat der Weimarer
Republik, jedoch mit entschieden nationaler Gesinnung. Im Kampf gegen den Antisemitismus
engagierten sich nicht nur im angesprochenen Berufungsskandal, sondern auch in der Studentenpolitik
, so etwa mit eigenen Listen zu den Wahlen zum Allgemeinen Studentenausschuss.
Mitte der zwanziger Jahre musste die „Badenia", die durch eine zionistische Verbindung Konkurrenz
erhalten hatte, ihre Aktivitäten einstellen. Lediglich die Altherrenschaft bestand noch
eine Zeitlang unter dem Vorsitz von Hans Heitier fort.200

Das Religiöse spielte übrigens im Leben der „Badenia" keine zentrale Rolle. Viele ihrer Mitglieder
standen dem tradierten Glauben eher distanziert gegenüber, auch Hans Heitier, der sich
in diesen Jahren mit der Anthroposophie Rudolf Steiners beschäftigte. Walter Heitier erinnerte
sich später an intensive Diskussionen, die sie mit zwei anthroposophischen Freunden des Bruders
führten. Während Hans Heitier sich im Laufe der Zeit ganz den Anthroposophen an-
schloss, vollzog Walter Heitier, obwohl auch er sich angesprochen fühlte, diesen Schritt
nicht.201 Er bezeichnete sich in diesen Jahren als Dissident, als religiös nicht gebunden.202

Nachdem Hans Heitier sein Studium an der TH Karlsruhe erfolgreich als Diplomingenieur
abgeschlossen hatte, legte er 1926 zusätzlich die Staatsprüfung in Maschinenbau ab und erwarb
damit als Regierungsbaumeister die Berechtigung zum Eintritt in den Höheren Dienst.
Seine erste Anstellung fand er 1927 bei der Stadt Zwickau. Doch wechselte er schon Ende 1928
als Angestellter in das Ingenieurbüro für Kraft- und Wärmewirtschaft Dr. Ing. Georg Herberg
in Stuttgart, wo er bis zu seiner Emigration Anfang 1939 tätig war.203

Auch Walter Heitier begann sein Studium, zunächst der Chemie und der Mathematik, später
der theoretischen Physik, im Sommersemester 1922 an der Technischen Hochschule Karlsruhe
, von vornherein mit dem ehrgeizigen Ziel, die Hochschullaufbahn einzuschlagen - ein
Vorhaben, das seine Mitabiturienten mit spöttischer Skepsis bedachten: Wie er das denn schaffen
wolle, ohne sich taufen zu lassen? Die junge Weimarer Demokratie bot dafür allerdings inzwischen
bessere Voraussetzungen als das untergegangene Kaiserreich.204

198 Der Senat wandte sich entschieden gegen die Eingriffe des Studentenausschusses in das Berufungsverfahren und
gegen die Diskriminierung der jüdischen Hochschullehrer. Vgl. die eingehende Schilderung der Vorgänge bei
Klaus-Peter Hoepke: Jüdische Gelehrte und Studierende an der Technischen Hochschule Karlsruhe 1825-1933.
In: Juden in Karlsruhe (wie Anm. 113), S. 321-344, hier S. 329ff.

m Zur Geschichte der „Badenia" ausführlich Hoepke (wie Anm. 198). S. 339ff. Vgl. auch die Ausführungen zur
Geschichte der jüdischen und der paritätischen Studentenverbindungen in der Familiengeschichte von Dr. Elisabeth
Müller.

200 Hoepke (wie Anm. 198). S. 342.

201 Heuler: Lebenserinnerungen (wie Anm. 177).

202 International Biographical Dictionary (wie Anm. 189).
™ StAL. EL 350 Büschel ES 12938.

2(m Heuler: Lebenserinnerungen (wie Anm. 177). Zur Einschreibung an der TH Karlsruhe vgl. Hoepke (wie Anm.
193), S. 578. Zu Heitiers Studium und wissenschaftlicher Ausbildung vgl. die - über die hier wiedergegebenen
knappen Daten weit hinausgehenden - Beiträge von Rasche, Laudatio. S. 162f.: OvRaifeartaigh/Rasche, S.
116f.: Mott, S. 142f. (alle wie Anm. 189).

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