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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 252
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fessor Dr. Karl Friedrich Ederle, der sich der Zumutung verweigert hatte, sich von seiner jüdischen
Ehefrau zu trennen.216

Nach Adolf Heitiers Pensionierung hatte sich das Ehepaar entschlossen, zu seiner Tochter
nach Baden-Baden zu ziehen. Dieser Entschluss sollte sich angesichts der politischen Entwicklung
seit 1933 - wenigstens zunächst - als glücklich herausstellen. Während die Diskriminierung
der jüdischen Bürger an ihrem früheren Wohnort Karlsruhe, wie in anderen Städten
auch, sehr bald schon einsetzte,217 konnten die Juden in Baden-Baden zunächst noch relativ un-
belästigt leben, wenn sie auch nur aus wirtschaftlichen Gründen unbehelligt blieben. Der
Kurort, der auf zahlungskräftige Besucher aus dem In- und Ausland angewiesen war, wollte
diese - auch die jüdischen - nicht durch eine radikale Politik verprellen und vermied deshalb
alle offen diskriminierenden Maßnahmen, anders als andere Badeorte im Reich, in denen Juden
schon früh unerwünscht waren.218 Die Stadt entsprach damit auch der von der badischen
NS-Führung zunächst vorgegebenen Linie. Im August 1935 ließ der Reichsstatthalter und Gauleiter
von Baden Robert Wagner219 die Bezirksämter durch den Minister des Innern anweisen,
... weitgehendst Rücksicht auf den Fremdenverkehr des Auslands zu nehmen, insbesondere im
Hinblick auf die bekannten internationalen Kurorte (Baden-Baden, Badenweiler, Heidelberg
etc.). Zu bedenken sei, dass zur Zeit von der antijüdischen Propaganda nicht nur Juden sich
betroffen fühlen, sondern dafür weite ausländische Kreise vorläufig kein Verständnis aufbringen
können.220

Ob Wagner tatsächlich für die Zukunft bei antijüdischen Aktivitäten auf ein wachsendes Verständnis
des Auslands hoffte, sei dahingestellt. Mit fortschreitender politischer und wirtschaftlicher
Konsolidierung jedenfalls - und nachdem die Olympischen Spiele von 1936 beendet wa-

Frida Kuhn, die einer evangelischen nichtjüdischen Familie entstammte. Die Töchter Johanna und Eva, 1926
bzw. 1927 geboren, wurden evangelisch getauft. Nach der Entlassung aus dem Staatsdienst Ende 1935 - die Entlassung
schon im April 1933 war wegen seiner Teilnahme am Weltkrieg zunächst aufgehoben worden - zog die
Familie 1936 nach Freiburg. Noch kurz vor Kriegsende, am 13.2.1945, wurde Ludwig Hauser nach Theresien-
stadt verschleppt. Er überlebte. Nach seiner Rückkehr nach Freiburg war er als Oberstudienrat an der Rotteck-
Oberrealschule tätig. Er starb am 9.12.1951. Vgl. die kurze biographische Darstellung in: Günther Wirth: Die
Hauser-Chronik. Geschichte einer Familie. Berlin 1982, S. 27ff., die auf Angaben der Tochter Eva Hotze geb.
Hauser beruht. Weitere biographische Daten finden sich in Ludwig Hausers Wiedergutmachungsakte: StAF, F
196/1 Fasz. EF 2638. - Die Zugehörigkeit Ludwig Hausers zur Maschinenbauabteilung unter Adolf Heitier ergibt
sich aus der Übersicht über das Personal des Staatstechnikums in: Badischer Geschäftskalender für 1925.
Karlsruhe [1925]. S. 50.
2'" GLA, 235/42917. Vgl. Werner (wie Anm. 215), S. 141.

217 Ernst Otto Bräunche: Residenzstadt, Landeshauptstadt, Gauhauptstadt. Zwischen Demokratie und Diktatur
1914-1945. In: Karlsruhe (wie Anm. 190), S. 357-516, hier S. 480ff.

218 Anknüpfend an antisemitische Ausgrenzung schon in Zeiten des Kaiserreichs und der Weimarer Republik hatten
lokale NS-,Funktionsträger' bis Ende 1935 durchgesetzt, dass die Nord- und Ostseebäder für jüdische Gäste
geschlossen waren. Es folgten rasch die inländischen Kurorte, ausgenommen jedoch zunächst jene mit internationalem
Publikum, bis auch hier das Ende der Olympiade 1936 das Ende jeder Rücksichtnahme einläutete.
Vgl. Frank Bajohr: „Unser Hotel ist judenfrei". Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt
/M. 2003, insb. S. 127ff.

219 Vgl. Ludger Syre: Der Führer vom Oberrhein. Robert Wagner, Gauleiter, Reichsstatthalter in Baden und Chef
der Zivilverwaltung im Elsass. In: Die Führer der Provinz. NS-Biographien aus Baden und aus Württemberg.
Hg. von Michael Kissener (Karlsruher Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus 2). Konstanz 1999, S.
733-779.

220 Sauer (wie Anm. 211), Bd. 1, S. 66f. - Mit der Verfügung von Innenminister und Gauleiter sollten auf Weisung
von Berlin alle wilden Einzelaktionen gegen Juden durch übereifrige Parteimitglieder unterbunden werden, nicht
aus rechtlichen Gründen, sondern weil sie das Führungsmonopol der Partei ignorierten und zudem das Bild Nazi-
Deutschlands im Ausland erheblich schädigten. Gauleiter Wagner hob deshalb - ob unverfroren oder unfreiwillig
grotesk, sei dahingestellt - im abschließenden Punkt 5 seiner Weisung hervor: Propaganda gegen das Judentum
und gegen den politischen Katholizismus hat wie jede nationalsozialistische Propaganda der deutschen
Art entsprechend anständig [!] zu sein.

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