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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 258
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Karlsruher Studienzeit nach Bristol, Dr. Ing. Emil Probst, der nach seiner Zwangspensionierung
ebenfalls erst 1939, nach dem Schock des Novemberpogroms, emigriert war und der von
1943 bis 1945 an der Universität Bristol lehrte.249

Die schwierige Situation der Familie wurde kurz nach der Einreise noch dadurch verschärft,
dass Walter und Hans Heitier Mitte 1940, zusammen mit vier weiteren Wissenschaftlern ihres
Physikdepartments, als Ausländer feindlicher Staatsangehörigkeit auf der Isle of Man und in
anderen Lagern - Walter Heitier lernte drei davon kennen - interniert wurden.250 Beide besaßen
damals noch, wie Annerose Heitier auch, die deutsche Staatsbürgerschaft. Diese wurde ihnen
von der NS-Reichsregierung, wie den meisten anderen jüdischen Deutschen, erst im November
1941 kollektiv aberkannt, während bis dahin gegenüber Emigranten der Einzelentzug verfügt
worden war, der begründet und im Reichsanzeiger veröffentlicht werde musste.251 Die
Staatsangehörigkeit ihrer Gastländer - Hans Heitier die britische, Annerose, Walter und Ottilie
Heitier die irische - erhielten sie erst 1946/47 durch Einbürgerung.252

Die Internierung der Emigranten hatte militärische Gründe. Nach der Niederlage Frankreichs
rechnete die britische Regierung mit einer Invasion durch deutsche Truppen. Mit der Internierung
sollte unter anderem die Tätigkeit feindlicher Agenten erschwert werden. Das rigorose
Vorgehen stieß jedoch in der britischen Öffentlichkeit bald auf Kritik. Von dem Kommandanten
eines Internierungslagers ist die ironische Äußerung überliefert: Ich hätte es nie fiir
möglich gehalten, dass so viele Juden Nazis sind. So begann die Regierung, unter Druck geraten
, sehr bald schon mit den ersten Entlassungen.253 Da auch die Universität Bristol auf die
Freistellung ihrer Wissenschaftler drängte, konnten Hans und Walter Heitier das Lager schließlich
noch 1940 verlassen.

In den Folgejahren beschäftigte sich Hans Heitier unter C. F. Powell insbesondere mit der
experimentellen Erforschung der Höhenstrahlung - Forschungen, an denen sein Bruder Walter
schon mitgewirkt hatte.254 1948 erwarb er, mit einer Arbeit über Magnetismus, noch den

^ Hoepke (wie Anm. 184), S. 447f.

250 Hehler: Lebenserinnerungen (wie Anm. 177). Mott (wie Anm. 189). S. 144. O'Raifeartaigh/Rasche (wie
Anm. 189), S. 118.

251 Elfte Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25.11.1941: § l. Ein Jude, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt
im Ausland hat, kann nicht deutscher Staatsangehöriger sein ... §2. Ein Jude verliert die deutsche Staatsangehörigkeit
, wenn er heim Inkrafttreten dieser Verordnung seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat... Vgl.
Michael Hepp: Wer Deutscher ist bestimmen wir... In: Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger 1933-
1945 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen. Bd. 1. München u.a. 1985, S. XXV-XL, hier S. XX-
XIV. In den Listen des Reichsanzeigers findet sich der Name Heitier nicht; die Familie verfiel also der pauschalen
Ausbürgerung. - Mit der Aberkennung der Staatsangehörigkeit war der Verlust der akademischen Grade
verbunden, auch hier zunächst durch aufwändigen Einzelnachweis der Universitäten, dann mit dem Gesetz über
die Führung akademischer Grade vom 29.3.1943 ebenfalls pauschal und automatisch. Vgl. Werner Moritz: Die
Aberkennung des Doktortitels an der Universität Heidelberg während der NS-Zeit. In: Zwischen Wissenschaft
und Politik. Festschrift für Eike Wolgast. Hg. von Armin Kohnle. Stuttgart 2001, S. 540-562.

252 Vgl. International Biographical Dictionary (wie Anm. 189) und die oben genannten Wiedergutmachungsakten.

253 Über die Internierungsmaßnahmen vgl. Sauer (wie Anm. 207), S. 188ff; Strickhausen (wie Anm. 207). Sp.
257f; Bernhard Wasserstein: Britische Regierungen und die deutsche Emigration 1933-1945. In: Exil in
Großbritannien. Zur Emigration aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Hg. von Gerhard Hirschfeld
(Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London 14). Stuttgart 1983, S. 44-61, hier S. 59f;
Michael Seyfert: „His Majesty's Most Loyal Internees". Die Internierung und Deportation deutscher und
österreichischer Flüchtlinge als „enemy aliens". In: Ebd., S. 155-182. - Zur Internierung auf der Isle of Man,
auf der die meisten Emigranten untergebracht waren, vgl. auch die Schilderung von David Maier: Geburtsort
Freiburg. Erinnerungen eines deutsch-jüdischen Engländers (Stadt und Geschichte. Neue Reihe des Stadtarchivs
Freiburg im Breisgau 18). Freiburg 1989, S. 34ff. Ferner Ute Scherb: „Ein politisch gefährliches Subjekt". Das
Leben der Fränze Vordtriede (1911-1997). In: Schau-ins-Land 121 (2002), S. 151-164, hier S. 158ff. Fränze
Vordtriede gehörte zu den Internierten, die in den Verdacht geraten waren, keine .echten' Flüchtlinge zu sein -
obwohl sie ,Halbjüdin' und politisch Verfolgte war. Sie wurde deshalb erst spät, Ende Mai 1943, aus dem Lager
entlassen.

254 mott (wie Anm. 189), S. 143; O'Raifeartaigh/Rasche (wie Anm. 189), S. 118.

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