Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 260
(PDF, 57 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0260
/. /. /939 als Studienrätin planmäßig angestellt worden wäre. Daraus ergab sich zwingend, dass
sie neben der Berechtigung, die Bezeichnung Studienrätin a. D. zuführen, Anspruch auf Zahlung
der ihr seit 1933 entgangenen Bezüge und, da sie verständlicherweise nicht mehr in den
Schuldienst zurückkehren konnte und wollte, ebenso auf Zahlung eines Ruhegehalts hatte.260
Damit hatte die Kommission die finanziellen Einbußen, die Annerose Heitier widerrechtlich erlitten
hatte, einigermaßen wieder wettgemacht und ihr auch die dringend benötigte finanzielle
Absicherung für die Zukunft verschafft. Dass ihr Lebensplan durch Entlassung und Vertreibung
brutal zerstört worden war, das konnte freilich mit der materiellen Entschädigung nicht wieder
gutgemacht werden. Doch mag sie für die Betroffene doch, über den Geldwert hinaus, eine Art
Symbol dafür gewesen sein, dass nun an die Stelle des Unrechts wieder das Recht getreten war
und dass ihr die bis dahin vorenthaltene soziale Anerkennung - mit der von ihr nun geführten
Berufsbezeichnung als Studienrätin - wiedergegeben worden war.261

Annerose Heitier - und Walter Heitier ebenso - hatten ihre Ansprüche auf Wiedergutmachung
auf beamten- und laufbahnrechtliche Regelungen stützen können, die eindeutig waren
und nicht interpretiert werden mussten. Anders lagen die Voraussetzungen jedoch bei Hans
Heitier. Da er in der freien Wirtschaft beschäftigt gewesen war, hatte die Wiedergutmachungsbehörde
nicht nur den seit der Emigration, also seit 1939, entgangenen Verdienst - auf der Basis
der Entgelte des Vorjahres - zu berechnen. Es wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass
die 1933 einsetzenden beruflichen Behinderungen von Juden Hans Heitiers Chancen, in besser
bezahlte Positionen oder in eine staatliche Anstellung als Regierungsbaumeister, also in den
Höheren Dienst, zu wechseln, zunichte gemacht hatten. Die Behörde konnte sich jedoch nur
zu der niedrigen Entschädigungsstufe Mittlerer Dienst durchringen, obwohl Hans Heitier die
Qualifikation zum Höheren Dienst besaß. Kaum Berücksichtigung fand bei der Berechnung der
Entschädigungssumme auch die Tatsache, dass er seinen Beruf zwar bis 1939 ausüben konnte,
weil der Inhaber des Stuttgarter Ingenieurbüros, wie geschildert, sich weigerte, ihn zu entlassen
, dass dies aber nur mit weit geringerem Verdienst möglich war als unter normalen Umständen
. Die wenig großzügige Entscheidung der Behörde konfrontierte Hans Heitier, wie viele
andere Berechtigte auch, mit der unpersönlichen Nüchternheit der Wiedergutmachungsverfahren
, in denen ganz nach dem Buchstaben des Gesetzes entschieden wurde. „Die ehemaligen
Verfolgten konnten diese Art der Verwaltung ihres Leids nur als mitleidlos, hart und brutal empfinden
."262

1953 besuchte Annerose Heitier noch einmal ihre Heimat, aus der sie vertrieben worden war.
Besuchte Baden-Baden, den jüdischen Friedhof mit der Grabstätte ihres Vaters und ihre ehemalige
Schule, wo sie einen ihrer früheren Kollegen traf, Dr. König, der mit ihr ins Lehrerkollegium
eingetreten war.263

260 Insgesamt wurde für die Zeit vom Mai 1933 bis 1. April 1951, dem Datum von Annerose Heitiers fiktiver Pensionierung
, ein Verdienstausfall von 29.851,71 DM errechnet. Der Betrag wurde jedoch auf die vom Gesetz vorgeschriebene
Höchstsumme von 20.000,00 DM herabgestuft. Ausgezahlt wurden schließlich nach weiteren Abzügen
18.012,55 DM. Wie Anm. 258. Heft 1 und 2.

261 Vgl. Tobias Winstel: Über die Bedeutung der Wiedergutmachung im Leben der jüdischen NS-Verfolgten. Erfahrungsgeschichtliche
Annäherungen. In: Nach der Verfolgung. Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
in Deutschland. Hg. von Hans Günter Hockerts und Christiane Kuller (Dachauer Symposien zur
Zeitgeschichte 3). Göttingen 2003, S. 199-227.

262 Ebd., S. 206f. Hans Heitiers Schreiben an die Wiedergutmachungsbehörde lassen dieses Getroffensein deutlich
spüren. StAL, EL 350 Büschel ES 12938.

2« Schreiben Annerose Heitiers vom 15.4.1954, Schreiben Dr. Königs vom 6.7.1957. StAF, F 196/1 Fasz. EF 7949,
Heft 1 bzw. 2.

260


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0260