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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 281
(PDF, 57 MB)
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sprechung in der Legende finden, sondern mühsam dem alphabetischen Verzeichnis entnommen werden
müssen. Warum der Verlag von der bewährten Vorlage der dritten Auflage abgewichen ist, bleibt unerfindlich
. Das etwas dürftig geratene Namenregister zeichnet sich durch gehäufte Unregelmäßigkeiten in
der Schreibweise von Namen (Ludwig von Beethoven!) und den Prädikaten der Regenten aus. Das lediglich
um einen einzigen, verkürzt und fehlerhaft wiedergegebenen Titel erweiterte Literaturverzeichnis
krankt an einer nicht korrekt durchgehaltenen Alphabetisierung. Bei der nunmehr vorliegenden vierten
Auflage hätten solche ärgerlichen Nachlässigkeiten durchaus vermieden werden können.

Karlheinz Deisenroth

Marlis Meckel: Den Opfern ihre Namen zurückgeben. Stolpersteine in Freiburg. Rombach Verlag, Freiburg
2006. 289 S., 74 SW-Abb.

Dieses Buch ist so wichtig und notwendig für die Freiburger Stadtgeschichte wie kaum ein anderes. Es
enthält 272 Lebensgeschichten von Freiburgerinnen und Freiburgern, die ausnahmslos auch Leidensgeschichten
sind. Dieses Buch erschreckt, irritiert, löst Beklemmungen aus und macht wütend. Dabei kennen
wir doch die Zahlen der NS-Opfer aus den Geschichtsbüchern, wissen doch Bescheid über die schändlichen
Verbrechen nach 1933.

Hier aber bekommen die abstrakten Zahlen eine ganz neue Bedeutung, einen Namen - nein, viele Namen
, hunderte von Namen und manchmal sogar ein Gesicht. Denn es ist der Autorin gelungen, mit detektivischem
Gespür viele unbekannte Lebensläufe wie einen versunkenen Schatz zu heben, in manchen
Fällen sogar Kontakt zu noch lebenden Familienangehörigen zu knüpfen, die bereit waren, ihre ganz persönlichen
Erinnerungen mitzuteilen. Jedem einzelnen der mühevoll recherchierten Menschenleben steht
man fassungslos gegenüber, denn in den allermeisten Fällen münden sie im gewaltsamen Tod, weil sie
nicht ins rassistische oder ideologische Konzept der Nationalsozialisten passten.

Vielleicht ist das Buch deshalb so erschütternd, weil die meisten der hier dargestellten Freiburger Lebensläufe
so unauffällig, so gänzlich normal verliefen - bis zur Machtübertragung an die Nazis im Jahr
1933 jedenfalls. Danach geriet alles aus den Fugen - für Jüdinnen und Juden und all diejenigen, die plötzlich
von den Nazis dazu gemacht wurden. Erniedrigung reihte sich an Erniedrigung, bis die meisten von
ihnen am 22. Oktober 1940 nach Gurs in die Pyrenäen verschleppt wurden, wo sie unter jämmerlichen
Umständen ihr Dasein fristen mussten. In den allermeisten Fällen hieß die Endstation Auschwitz.

Sie waren Anwälte, Ärzte, Universitätslehrer. Metzger, Arbeiter, Kaufleute oder Bäcker wie z.B. Meier
Friedrich Bloch, der die Möglichkeit zu emigrieren kurz ins Auge gefasst, dann aber weit von sich gewiesen
hatte mit der heute aberwitzig erscheinenden Erklärung: Keiner tut uns was. Sie waren Menschen,
die fühlten wie alle anderen auch, die um ihr Äußeres besorgt waren und sich um ihre Kinder kümmerten
wie z.B. Fanny Grötzinger: Sie empfand sich als zu dick, sie hat gern gut gegessen. [...] Sie hat es sehr
bedauert, daß sie keine bessere Schulbildung hatte und hat dafür gesorgt, daß ihre Tochter Martha auf die
Höhere Töchterschule gehen konnte, wie ihre Enkelin der Autorin mitteilte (S. 95).

Zur Erinnerung an jede der 272 Personen, die in dem vorliegenden Buch beim Namen genannt und vorgestellt
werden, hat der Kölner Künstler Gunter Demnig unlängst je einen „Stolperstein" verlegt. Eines
jener 10 mal 10 cm kleinen Messingplättchen, das seitdem vor dem Haus oder an der Stelle, wo die Menschen
gewohnt haben, in Form eines Pflastersteines auf sie und ihr Schicksal verweist - meist nur mit der
schlichten Formel „ERMORDET [...] IN AUSCHWITZ". Gerade in ihrer Schlichtheit wirken diese ungewohnten
Zeichen. Die Reduzierung auf wenige Informationen wie Namen, Geburtstag und die Daten
über Verschleppung und Tod regt mitten im Alltag zu einem Moment des Innehaltens an, lässt die Passierenden
heute stocken, bringt sie aus dem Tritt, lässt sie, übertragen gesehen, kurz stolpern - und sei es nur
für den Bruchteil einer Sekunde.

Ausschlaggebend dafür, dass die „Denkmale von unten" überhaupt nach Freiburg kamen, war das persönliche
Engagement der Buchautorin, die sich im Jahr 2002 auf die Suche nach den längst verloren geglaubten
Spuren der NS-Opfer begeben hat. Was sich in vorliegendem Buch dokumentiert, ist weit mehr
als eine ungeheure Fleißarbeit (bei der sie natürlich auf Vorarbeiten zurückgreifen konnte, die z.B. vom
Freiburger Stadtarchiv geleistet wurden): Man spürt beim Lesen etwas von der Kraft, die Marlis Meckel
antreibt, sich dieser Aufgabe zu stellen, die sie selbst im Vorwort benennt, wurde ihr doch im Lauf der Recherchearbeiten
immer deutlicher, „wie sehr diese Erinnerungsarbeit den Opfern geschuldet ist" (S. 14).

In Freiburg erinnern die Stolpersteine nicht nur an Menschen, die umgebracht wurden, sondern auch

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