Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 465,da
Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
126.2007
Seite: 288
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2007/0288
Mittelalterliche Spitäler waren geradezu Kristallisationspunkte im öffentlichen Leben einer Stadt. Auch
in Freiburg lag das Heiliggeist-Spital zentral zwischen der großen Marktstraße im Westen und dem Münster
im Osten und nahm den zentralen Platz ein, der heute durch ein Großkaufhaus beansprucht wird. Wie
die Lage bereits verdeutlicht, war das mittelalterliche Spital eine wichtige Institution, die neben karitativen
auch wirtschaftliche, soziale und politische Elemente in der Stadt verband.

In Freiburg fehlte schon lange eine moderne Geschichte des Heiliggeist-Spitals. Vorhandene Arbeiten
wie J. Kuhns Dissertation (1914) genügten entweder heutigen Ansprüchen nicht mehr oder waren wie die
vorzügliche Arbeit von E. Lindemann über den Spitalhaushalt (1962) als maschinenschriftliche Staatsexamensarbeit
nur schwer zugänglich. Auch nach U. Knefelkamps Arbeiten über das Freiburger Gesundheitswesen
dauerte es noch einige Jahre, bis das Heiliggeist-Spital in H.-P. Widmann einen Forscher gefunden
hatte, der sich dieser lohnenden Aufgabe unterzog. Dies war umso dringender geworden, weil sich
die Spitalforschung in den letzten Jahren wieder verstärkt diesem Themenbereich gewidmet und neue Ansätze
entwickelt hatte. Der Autor stellte sich die Aufgabe, auf der Grundlage der neuen Forschungsansätze
eine breit angelegte wissenschaftliche Gesamtdarstellung zu veröffentlichen. Er setzt seine Schwerpunkte
in fünf großen Themenbereichen (Gründungsgeschichte - Organisation und Alltag - Spitalhaushalt - Ausblick
auf andere Fürsorgeeinrichtungen und ihr Verhältnis zum Heiliggeistspital - Verhältnis zur Stadt)
und schließt mit einer ausführlichen Zusammenfassung.

Im ersten Themenbereich setzt sich der Autor mit der komplizierten Gründungsgeschichte auseinander,
die noch viele Fragen offenlässt. Obwohl erst 1218 ausdrücklich genannt, bestand es möglicherweise als
Hospiz schon seit der Mitte des 12. Jahrhunderts. Unter den Stiftern ist zwar die Beteiligung des Herzogs
von Zähringen nicht ganz auszuschließen, doch wichtiger als eine Einzelpersönlichkeit dürfte eine Gruppe
von Bürgern, vor allem Kaufleute, gewesen sein. Widmann untersucht die möglichen Deutungen sehr vorsichtig
und lässt diese Frage durchaus offen. Bemerkenswert ist, dass die alteingesessenen Adelsgeschlechter
in dieser Phase offensichtlich nur geringes Interesse zeigten. Im Folgenden bringt der Autor einen
Überblick über die weitere Entwicklung im 14. und 15. Jahrhundert. In diesem Zeitabschnitt entwickelte
sich das Spital zum Pfründhaus, ohne aber seinen Charakter als multifunktionales Spital zu
verlieren.

Im zweiten großen Kapitel folgt eine umfangreiche und gründliche Darstellung der Verwaltungsentwicklung
des Spitalbetriebs, der immer wieder starken Veränderungen unterlag. An der Spitze standen 3
bis 4 Spitalpfleger, die vom Rat bestellt, das zentrale Führungs- und Kontrollorgan waren. Ihre große
Bedeutung zeigt sich darin, dass diese Funktion immer durch Mitglieder aus angesehenen Familien der
Patrizier und Zunftmeister besetzt wurden. Die tägliche Kleinarbeit wurde dann von den untergeordneten
Ämtern wie Spitalmeister, Spital Schreiber, Siechenmeisterin usw. geleistet. Danach werden die Spitalinsassen
ins Blickfeld genommen. Unterbringung, Verpflegung und Pflege der Armen, Bedürftigen und
Pfründner werden ausführlich untersucht. Besonders dankenswert ist, dass der Autor auch die Seelsorge
einbezieht. Im mittelalterlichen Spital stand nicht die Sorge für den Körper als vielmehr die Sorge für die
Seele im Mittelpunkt. So besaß das Spital schon seit der Mitte des 13. Jahrhunderts eine eigene Pfarrei,
die von der Stadtpfarrei getrennt war. Auch die Zahl der Leutpriester, die sich von zwei (1293) auf vier
(1316) verdoppelte, verdeutlicht den hohen Stellenwert der Seelsorge im Spital.

Im folgenden Kapitel werden nunmehr der Spitalhaushalt und der reiche Grundbesitz in und um Freiburg
untersucht. In Anlehnung an Lindemanns Vorarbeiten kann die Einnahmen- und Ausgabenstruktur
ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts rekonstruiert werden. Neben den zahlreichen Geld- und Fruchtzinsen
ist ein breites Spektrum vieler kleiner Einnahmenposten bemerkenswert. Breiten Raum nimmt
dann die ausführliche Darstellung des Spitalbesitzes ein. Besonders wichtig für die Spitalwirtschaft waren
die Spitalhöfe in Freiburg und Umgebung, denn sie bildeten offensichtlich das Zentrum wirtschaftlicher
Aktivität. Trotzdem bleiben hier noch wichtige Fragen offen. Hier hätte das methodisch wegweisende
Buch von Brigitte Pohl-Resl „Rechnen mit der Ewigkeit. Das Wiener Bürgerspital im Mittelalter" (1996)
wichtige Anregungen geben können. Denn Spitäler mussten, um ihre Aufgaben zu erfüllen, für die Werke
der Caritas das große Stiftungsvermögen geschickt anlegen und waren zu gewinnbringendem Wirtschaften
gezwungen. Diese Forderung stellte sich häufig als eine wirtschaftliche Gratwanderung heraus. Hier
stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Stiftungsvermögen und Ausgaben standen. War die Kapitalausstattung
ausreichend, um auch die stetig zunehmenden Aufgaben zu erfüllen (im 15. Jahrhundert ging
die Zahl der Stiftungen deutlich zurück)? Oder blieben auf der anderen Seite die Erträge möglicherweise
unterdimensioniert, sodass zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine strukturelle Verschuldung drohte? In wel-

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