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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 48
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Im weiteren Verlauf des Reigens trifft er die anderen Lebensalter ebenfalls mitten in ihren
charakteristischen Tätigkeiten an: Dem ABC-Schützen nimmt der Tod die Feder aus der
Hand, der jungen Dame streut er statt des Puders die Asche als Zeichen der Vergänglichkeit
auf das Haar, den draufgängerischen Jüngling besiegt er im Duell. Genauso wenig wie
auf das Alter achtet der Tod auf Beruf und Stand derer, die er aus dem Leben abberuft: Den
Priester trifft der Tod gerade an, als dieser sich zur Feier der Totenmesse ankleiden will,
den Adligen entführt er während einer Kutschfahrt in sein Reich. Aber nicht von jedem
wird der Tod nur als Verlust empfunden: Dem hungernden Bettler ist der Tod das liebste
brodt, der Ehemann wird vom Kreuz des „selbstverschuldeten" Ehestands erlöst, und seine
Frau von ihrer Zanksucht. Der Zyklus schloss einst sinnig mit dem Bauern,4 welcher aus
jener Erde das brodt gewint, von der er genommen ist, und zu welcher er selbst einst zurückkehren
wird. Heutzutage bildet das Bild mit dem reichen Greis den Abschluss, welchen
der Tod daran erinnert, dass nicht äußerer, sondern innerer Reichtum zählt, sobald die
Lebenszeit abgelaufen ist. Im Zentrum des Totentanzes ist, mittelalterlichen Kathedralen
vergleichbar, über der Eingangstür zur Kapelle eine Darstellung des Jüngsten Gerichts zu
sehen: der Weltenrichter, flankiert von dem Erzengel Michael und einem Posaunenengel.
In der darunter sich befindenden Kartusche steht die Inschrift: Sex uns/doch gnädig in dein/
Gricht/ Und nit/ nach maaß der sünden/ Rieht!

Welche Bedeutung dieses Kunstwerk für die Freiburger einst hatte, belegt ein Zitat des
früheren Oberbaudirektors Joseph Schlippe: Hierher führten die Eltern ihre Kinder, lasen
ihnen die treuherzigen Verse vor und zeigten ihnen auf den Bildern, daß der Tod jeden, einerlei
wessen Standes, Ranges oder Geschlechts, hinwegrafft. Dieser Totentanz, ... [und] die
Bilder der irdischen und der himmlischen Apotheke waren wirklich Gemeingut und Erbauung
jedes Freiburgers.5 Den Freiburger Musiker Reinhold Martin inspirierte der Zyklus
im Jahr 1930 zu einer unlängst uraufgeführten Vertonung.6

Sowohl der Totentanz wie auch die Bemalung der Giebelwand wurden in ihrer heutigen Fassung
erst in den Jahren 1963 und 1970 geschaffen bzw. rekonstruiert. Um die Entstehungsgeschichte
ihrer Vorläuferfassungen nachzeichnen zu können, soll im Folgenden zunächst auf die
Baugeschichte der St. Michaelskapelle eingegangen werden.7

Die St. Michaelskapelle

Als im Jahr 1683 der heutige „Alte Friedhof seiner Bestimmung übergeben wurde, war dies
bereits der dritte allgemeine Begräbnisplatz in der Geschichte der Stadt Freiburg. Der erste
Friedhof auf dem Münsterplatz war im Jahr 1515 auf Betreiben Kaiser Maximilians L aufgrund
der Pestgefahr geschlossen worden. Sein Nachfolger bei der Nikolauskirche in der Vorstadt
Neuburg fiel hingegen 1678 dem Festungsbau Vaubans zum Opfer.

4 Dieses Bild ist heute das zehnte, während das zwölfte und letzte jetzt den Reichen darstellt (früher Nr. 10).

5 Joseph Schlippe: Freiburgs Baudenkmäler und ihre Wiederherstellung. Teil I, in: Einwohnerbuch der Stadt Freiburg
i. Br. 1959. S. 19-29. hier S. 27.

h Reinhold Martin: „Freiburger Totentanz", komponiert 1930, uraufgeführt in der St. Michaelskapelle am
27.11.2007.

7 Über die Geschichte der Kapelle hatte erstmals der damalige Freiburger Stadtarchivar Adolf Poinsignon Ende der
1880er-Jahre geforscht. Den Anlass dazu hatte wohl ein zu jener Zeit entfachter Streit zwischen der Stadt Freiburg
und dem Erzbischöflichen Ordinariat gegeben, in welchem es um die Eigentumsverhältnisse an der
St. Michaelskapelle und somit um die Frage der Baupflicht ging. Nachdem gerichtlich der Stadt das alleinige
Eigentumsrecht zugesprochen worden war, vgl. Erzbischöfliches Ordinariat an Katholischen Stiftungsrat der
Münsterpfarrei, 7.2.1907, Erzbischöfliches Archiv Freiburg (EAF), B81/3797. veröffentlichte Poinsignon im Jahr
1890 seine Forschungsergebnisse im Rahmen einer fundierten Geschichte der Freiburger Friedhöfe, Adolf
Poinsignon: Die alten Friedhöfe der Stadt Freiburg i. Br., in: Adreßbuch der Stadt Freiburg 1890, S. 1-23. Eine
gesonderte Publikation über den Totentanz legte er im gleichen Jahr vor (s. u., Anm. 25).

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