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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 65
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geschilderte ikonografische Sinngehalt, nicht zu reden von der Malweise und der Signatur,
unterscheidet das „Frühstücksstillleben" so stark von dem bisher immer in Verbindung
genannten „Küchenstillleben", dass eine Verknüpfung der beiden Sopraporten im Sinne von
zusammengehörigen „Gegenstücken"17 endgültig auszuschließen sein wird.

Bei genauerer Betrachtung zeigen sich im Detail Unstimmigkeiten zwischen dem tatsächlichen
Bestand im „Frühstücksstilleben" und seinen bisherigen Beschreibungen. Die eigentümliche
Zusammenstellung der Nahrungsmittel und der den Flaschen und Krügen zuzuordnenden
Getränke bzw. die Art der Darstellung dieser Trinkgefäße wirft einige Fragen auf. Im Vorfeld
einer Ausstellung zum 200. Todestag Wentzingers wurde die Ikonografie des „Frühstücksstilllebens
" genauer in Augenschein genommen.18 Dabei ergaben sich Erkenntnisse für die Neuinterpretation
des Gemäldes, die hier dargelegt werden sollen.

Zunächst fällt auf, dass sich die im Bild verteilten Gegenstände beiderseits einer von links
unten nach rechts oben verlaufenden Diagonale anordnen. Oberhalb der Diagonale finden sich
in der linken Bildhälfte: Bierkrug und Schnapsflasche, Fettklumpen mit Messer, Eier aufgeschlagen
im Teller und ganze Eier im Korb. Unterhalb der Diagonale sind rechts zu sehen:
Fische - wohl Heringe -, zum Verzehr vorbereitete, gefüllte Weinbergschnecken und das auf
den Kopf gestellte Weinkrügle. Der bisher als Schinken - im Bruchsaler Katalog19 als „Brot"
- gedeutete große Gegenstand unterhalb des Eierkorbes erweist sich bei näherem Hinsehen als
Teil eines großen Fisches, vielleicht eines Lachses oder Karpfens, der quer durchgeschnitten
mit der Schnittfläche dem Betrachter zugewandt ist. Nach links sind die Bauchlappen, nach
rechts der Rücken mit einem Teil der Rückenflosse zu sehen. Auch die durchschnittene Mittelgräte
ist erkennbar. Damit lassen sich die Nahrungsmittel und Gegenstände in zwei eindeutig
zusammengehörige Gruppen ordnen.

Fett und Eier können im Zusammenhang mit der Fastnacht gesehen werden, an denen gerade
diese Nahrungsmittel extensiv konsumiert wurden. In der schwäbisch-alemannischen Fasnet
wird noch heute der Donnerstag vor dem Fastnachtssonntag als „Schmutziger Dunschdig"
bezeichnet.20 Das darin enthaltene Wort „Schmotz" oder „Schmutz" ist eine alemannische Bezeichnung
für Schmalz, der Tag heißt auch „fetter, schmalziger, feister Donnerstag". Der im
romanischen Sprachraum als „mardi gras" oder „martedi grasso" bekannte Fastnachtsdienstag
verweist ebenfalls auf das Fett, in dem man hierzulande die Fasnetsküchle ausbackt. Zur
Herstellung dieser typischen Fastnachtskrapfen benötigt man ferner eine ungewöhnlich große
Anzahl von Eiern.

Beides - Fett wie Eier - durfte in der auf die Fastnacht folgenden Fastenzeit nur eingeschränkt
konsumiert werden. Rein wirtschaftlich gesehen diente das ausgedehnte Fressen und
Saufen zur Fastnacht dem Verzehr von Vorräten, die in der Fastenzeit nicht weiter abgebaut
werden durften. Eine weitere Bezeichnung für den Donnerstag vor Fastnacht ist konsequenterweise
auch „Eierdonnerstag".21 Erst an Ostern war der Genuss von Eiern, Fett und Fleisch
wieder gestattet. Der im Lauf des vierwöchigen Fastens angesammelte Eierüberschuss konnte
mithilfe der zahlreichen Eierbräuche zu Ostern abgebaut werden.22 Zu den an Fastnacht
üblichen Essgewohnheiten kam der exzessive Genuss alkoholischer Getränke hinzu, für die

17 So z.B. in Barock in Baden-Württemberg (wie Anm. 13).

18 „Johann Christian Wentzinger 1710-1797. Dokumente und Entwürfe", Ausstellung des Museums für Stadtgeschichte
im Wentzingerhaus Freiburg vom 11.12.1997-1.2.1998 (siehe Augustinermuseum Jahresbericht 1997-
1999, Freiburg 2000, S. 13).

19 Barock in Baden-Württemberg (wie Anm. 13).

20 Werner Mezger: Narrenidee und Fastnachtsbrauch. Studien zum Fortleben des Mittelalters in der europäischen
Festkultur (Konstanzer Bibliothek 15), Konstanz 1989, S. 16.

2' Ebd., S. 16, dort Anm. 51.
22 Ebd., S. 489f.

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