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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 169
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Ein Augenzeuge berichtet, dass Kriegsgefangene ein totes Besatzungsmitglied in einem
Bombenkrater vergraben hätten:39

Ich war zur Zeit des Flugzeugabsturzes Lehrling der Reichsbahn und am Güterbahnhof tätig. Drei Tage
nach dem Absturz musste ich die tägliche Stärkemeldung der zu verpflegenden Kräfte erstellen. Dazu
gehörten auch die russischen und armenischen Kriegsgefangenen im Lager des Reichsbahnbetriebswerkes
. Schon vor dem Angriff stand ich mit diesen Gefangenen in täglichem Kontakt. Die Gefangenen waren
im Obergeschoss des Maschinenhauses des Güterbahnhofs untergebracht. Die Wachmannschaften befanden
sich im Untergeschoss. Während des Angriffes vom 27. November 1944 hatten die Wachmannschaften
und die Gefangenen Schutz im Keller des Maschinenhauses gesucht. Die Gefangenen berichteten
mir kurz nach dem Absturz, dass sie einen toten Soldaten aus dem Flugzeugwrack in der Nähe des Bahndammes
in einen Bombentrichter legen mussten und mit Boden zugedeckt hätten. Ich habe keinen Zweifel
dass die Aussage der Kriegsgefangenen, zu denen ich ein gutes Verhältnis hatte, richtig ist. Insgesamt
war die Behandlung der Gefangenen durch die Wachmannschaften gut. Es gab jedoch eine Person, die
die Gefangenen nicht anständig behandelte.

Entgegen der bestehenden Befehle, die jeder Kompanie durch schriftlichen Verteiler bekannt
waren und nach denen Tote der nächstgelegenen Luftwaffendienststelle zu melden waren, erteilte
also die Wachmannschaft den Befehl, den Toten illegal zu beseitigen. Bei dem von den
Kriegsgefangenen am Bahndamm der Güterbahn bestatteten Soldaten handelt es sich mit größter
Wahrscheinlichkeit um W. H. Holbrook. Er wurde im Juni 1945 von der amerikanischen
55th Air Disarmament Squadron (P) unter Trümmern in der Nähe der Yorkstraße gefunden und
auf dem Hauptfriedhof Freiburg bestattet. Seine Grablage wird mit Feld 31 Grab 2F angegeben
.40 Nachforschungen in den Aufzeichnungen der Friedhofsverwaltung bestätigen diese Angabe
nicht. Sie sagen aus, dass neben dem Grab von Stanley Gale nur noch ein anderer
„Engländer" namens Les Harris bestattet wurde. W. H. Holbrook wurde dennoch auf dem
Hauptfriedhof gefunden, exhumiert und neben seinen fünf gefallenen Kameraden in Dürnbach
beigesetzt.

Der letzte Soldat der Mannschaft, Flying OfTicer Stanley Gale, wurde von der französischen
Militärbehörde einem englischen Missing Research and Enquiry Team übergeben und am 8.
Juni 1945 auf dem Freiburger Hauptfriedhof beerdigt.41 Er ist bislang der einzige Soldat der
NG200, für den es ordnungsgemäße Bestattungsdokumente aus Freiburg gibt. Stanley Gale
wurde ebenfalls exhumiert und am 13. August 1948 in einem Einzelgrab auf dem britischen
Soldatenfriedhof in Dürnbach wieder begraben (Abb. 5).

Ein im Juni 1947 entstandener Bericht der 2 Missing Research and Enquiry Unit der RAF
bestätigt, dass Untersuchungen über das Schicksal und den Verbleib der Mannschaft der
NG200 am 15. und 25. Mai 1947 durchgeführt wurden.42 Bei diesen Untersuchungen wurden
auch Bürger, die in der Nähe des Jüdischen Friedhofes wohnten, verhört. Das Ergebnis der
Befragungen erbrachte nur wenige neue Erkenntnisse. Ausgesagt wurde lediglich, dass ein
englischer viermotoriger Bomber in der Yorkstraße abgestürzt sei. Außerdem kam es in der
Angriffsnacht zu einer Evakuierungswelle aus der Stadt, weswegen die englischen Ermittler
niemanden fanden, der die Soldaten oder ihre Überreste gesehen hatte. Alle Verhörten nahmen
an, dass die Körper der toten Soldaten durch Luftwaffenangehörige vom nur 1.000 Meter von
der Absturzstelle entfernten Flughafen geborgen wurden.

Im Zuge dieser Nachforschungen wurde am 15. Mai 1947 auf dem Jüdischen Friedhof nach
den Gräbern der fehlenden fünf Soldaten gesucht.43 Außerdem wurden sowohl das Zimmer des
zuständigen Bürgermeisters als auch die Räume der Friedhofsverwaltung nach entsprechenden

39 Gespräch des Autors mit Zeuge D am 5.1.2006.

40 Schreiben vom 31.10.2005, Air Historical Branch (wie Anm. 6), S. 2, Abs. 4.

41 Bestattungsregister des Freiburger Hauptfriedhofs von 1945, S. 188, OZ 1300

42 Schreiben vom 31.10.2005, Air Historical Branch (wie Anm. 6), S. 1, Abs. 4.

43 Ebd., S. 2, Abs. 2.

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