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Schau-ins-Land: Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland
127.2008
Seite: 174
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2008/0174
Adel und Nationalsozialismus im deutschen Südwesten, hg. vom Haus der Geschichte Baden-Württem-
berg (Stuttgarter Symposion Schriftenreihe 11), G. Braun Buchverlag, Karlsruhe 2007, 240 S., SAV-Abb.

Wenn man die Haltung adeliger Personen im Südwesten Deutschlands in der Vergangenheit erfahren will,
ist es von Vorteil in diesem Band zunächst den Beitrag von Eckart Conze zu lesen. „Bonn ist nicht
Weimar", diese Feststellung von Fritz Rene Allemann macht sich der Autor zueigen, um die Verhaltensweisen
des Adels nach den beiden Weltkriegen in Deutschland zu skizzieren. Danach wandte sich der Adel
nach 1918 vehement gegen die neue demokratische Ordnung und paktierte mit rechtsradikalen Parteien.
Seine politische Zielrichtung, so Conze, war bestimmt von negativen Faktoren: Antimodernismus, Antisemitismus
, Antiamerikanismus sowie Antikapitalismus. Viele Adelige verziehen es den demokratischen
Politikern nie, dass sie einen Teil ihrer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Privilegien eingebüßt
hatten. Nach 1945 verlor vor allem der ostelbische Adel seinen Einfluss. Die antikommunistische Politik
vor allem der Adenauerregierung kam den Vorstellungen der Adelskaste sehr entgegen. Auch waren jetzt
wieder soziale Aufstiegsmöglichkeiten möglich. Der Adel bildete erneut einen Teil der gesellschaftlichen,
politischen und wirtschaftlichen Elite der Bundesrepublik. Ihr Beitrag zum Untergang der Weimarer
Republik und zum Aufstieg Hitlers hingegen wurde geflissentlich ausgeklammert.

Diese Feststellungen von Eckart Conze gelten für die Verhaltensweisen des Adels im Südwesten
ebenso. Auch hier ist die große Reserviertheit gegenüber den demokratischen Verhältnissen in der Weimarer
Republik unübersehbar. Gleichzeitig machte sich eine große Affinität zu deutsch-völkischen, später
nationalsozialistischen Ideen bemerkbar. Die autoritären Vorstellungen der extremen Rechten, gepaart
mit Antisemitismus und Antikommunismus brachte viele Adelige auch hier in die Nähe zu Hitler und ermunterte
sie, die Nationalsozialisten zu unterstützen und sich für sie einzusetzen.

Allerdings gab es im Unterschied zur preußischen Adelskaste einige wenige, die aus vielerlei Gründen
diesen Weg nicht mitgingen. So lehnte zum Beispiel Abt Adalbert Graf Neipperg, wie Benedikt Pähl herausfand
, die Rassengesetze und die NS-Familienpolitik strikt ab. Wenn er auch die Nationalsozialisten als
kleineres Übel - im Vergleich zu den Kommunisten - ansah und ihm das Schicksal der Juden gleichgültig
schien, so geriet er doch mit seinen zahlreichen Vorträgen bald in Konflikt mit den neuen Machtha-
bern. Unterstützung erhielt er von seinen Kirchenoberen signifikanter Weise nicht. Das erzbischöfliche
Ordinariat in Freiburg und der Abtprimus in Rom ermahnten ihn vielmehr, sich nicht zu tagespolitischen
Themen zu äußern.

Auch die Einstellung der Familie Stauffenberg war, wie Christopher Dowe herausgefunden hat, in Bezug
auf die Politik nach 1933 zwiespältig. Aufgewachsen in einem monarchisch-bürgerlichen Milieu
hießen manche der Familie die Gewalttaten der Nazis, wie zum Beispiel die Mordserien im Gefolge des
„Röhm-Putsches", für gerechtfertigt, verurteilten aber die Pogrome anlässlich der „Reichskristallnacht".
Sie knüpften schließlich Kontakte zu Männern des Widerstandes wie Julius Leber.

Einer der wenigen kompromisslosen Gegner des NS-Systems war Friedrich Wilhelm von Prittwitz und
Gaffron der bereits im März 1933 aus Protest gegen die Machtübergabe an Hitler seinen Posten als Botschafter
in Washington quittierte (Beitrag von Rainer Blasius). Seine adeligen Kollegen im diplomatischen
Dienst hingegen wie der Freiherr von Neurath oder Ernst Freiherr von Weizsäcker stellten sich weiterhin
in den Dienst des Diktators. Sie merkten nicht, dass sie Hitler und seine Gefolgsleute nur so lange benutzten
, wie sie willig die verbrecherische Politik der Nazis unterstützten.

Das Haus Württemberg hatte sich hingegen von Anfang an deutlich gegen die nationalsozialistische Bewegung
gestellt. Einige von ihnen wie Herzog Albrecht und Carl Alexander mussten deshalb Verfolgungen
und Ausweisungen ertragen. Andere hingegen wie Herzog Robert befürworteten die Politik Hitlers
(Beitrag Eberhard Fritz).

Der protestantische Adel, wie Thomas Kreutzer am Beispiel von Ernst II. Fürst zu Hohenlohe-Lan-
genburg zeigt, stellten sich nahezu uneingeschränkt Hitler zur Verfügung. Ernst II. ging weitgehend mit
den antisemitischen, völkischen und antidemokratischen Vorstellungen der Nazis konform. Wie in anderen
Teilen des Reiches auch, so waren die Protestanten auch hier dem NS-Regime gegenüber wesentlich
freundlicher eingestellt als die Katholiken. Erst als die Einheit der evangelischen Kirche durch die Maßnahmen
der Nationalsozialisten aufgebrochen wurde, unterstützte Ernst II. Bischof Wurm, einen wichtigen
Vertreter der Bekennenden Kirche in Württemberg.

Insgesamt gesehen kann gefolgert werden, dass der Adel im Südwesten, wie Thomas Schnabel im Vorwort
festhält, der demokratischen Entwicklung nach 1918 skeptisch gegenüber stand. Allerdings enga-

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