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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0146
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2. ein Mann, der einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis
begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur
Unzucht mißbrauchen zu lassen;

3. ein Mann über einundzwanzig Jahre, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt,
mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen;

4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen
läßt oder sich dazu anbietet.

1936 wurde per Geheimerlass die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und
Abtreibung" vom Chef der SS und der Polizei, Heinrich Himmler, eingerichtet. Jetzt begann
verschärft die zentrale Erfassung der Homosexuellen. Alle Polizeidienststellen mussten auf
besonderen Formularen die ihnen als homosexuell bekannten Männer melden. Die Kriminalpolizei
konnte Vorbeugungshaft im Konzentrationslager (KZ) verfügen, um die Volksgemeinschaft
vor Verbrechern zu schützen. Die Gestapo ihrerseits konnte nun Schutzhaft anordnen.
Im KZ sollten Homosexuelle zunächst durch Arbeit umerzogen, später aber vernichtet werden.

Die Verfolgung homosexueller Männer wurde immer intensiver. Vereinzelt wurden sie in
psychiatrische Anstalten überwiesen. Hunderte wurden kastriert. Nach Kriegsausbruch konnten
Angehörige der SS und der Polizei mit dem Tod bestraft werden, wenn sie der Homosexualität
überführt wurden. 1940 verfügte Heinrich Himmler durch Runderlass, dass alle
Homosexuellen, die mehr als einen Partner „verführt" hatten, nach ihrer Entlassung aus der
Strafhaft in polizeiliche Vorbeugungshaft zu nehmen seien.

In den Jahren 1933 bis 1945 kam es zu rund 53.000 Verurteilungen aufgrund § 175 StGB,
darunter etwa 45.000 im zivilen Bereich (Abb. 1). Im militärischen Bereich gab es von 1939
bis 1945 rund 8.000 Verurteilungen von Soldaten durch NS-Militärgerichte.1 Etwa 5.000 bis
7.000 homosexuelle Männer wurden in Konzentrationslagern eingesperrt. Dort starben 61%
von ihnen.

Bruchstückhafte Zeugnisse der Verfolgung in Südbaden

Ein genaues Bild der Situation der Homosexuellen in Südbaden zwischen 1933 und 1945 zu
bekommen, ist heute nicht mehr möglich, da sehr viele Unterlagen fehlen. Man kann nur einzelne
Schicksale bruchstückhaft aufzeigen. Die Anzahl der Opfer wird nie ganz festgestellt
werden können. Auch die Gesamtzahl derer, die aus Verzweiflung, aus Angst vor Verhaftung
oder in der Haft Selbstmord begingen, ist nicht zu ermitteln. Hinzu kommen die Männer, die
in Gefängnissen, Zuchthäusern oder Heil- und Pflegeanstalten starben und ebenfalls nicht mehr
erfasst werden können.

Viele Dokumente gingen durch Kriegseinwirkung verloren. Zum Beispiel wurden in Freiburg
die Polizeiakten durch den Luftangriff im November 1944 vollständig vernichtet. Auch
das Freiburger Gefängnis erhielt Bombentreffer, weshalb von dort ebenfalls keine verwertbaren
Unterlagen mehr existieren. Darüber hinaus wurden die Aufzeichnungen der Gestapo, die
in der Goethestr. 33 untergebracht war, vor der Räumung der Dienststelle durch das Personal
verbrannt. Was bleibt, sind Gerichtsunterlagen, wobei auch diese nicht alle erhalten sind. Über
diejenigen Männer, die vom Landgericht Freiburg verurteilt wurden und anschließend in Konzentrationslagern
waren, liegt z. B. keine einzige Akte mehr vor.

Als Quelle für diese Abhandlung können daher nur die übrig gebliebenen Prozessakten dienen
. In Südbaden gab es 1933 vier Landgerichte: Freiburg, Konstanz, Offenburg und Waldshut
(Abb. 2 bis 4). Vom Landgericht Konstanz sind 31, vom Landgericht Offenburg 32 und vom
Landgericht Waldshut drei Akten zu Prozessen wegen Verstoßes gegen § 175 StGB überliefert.

1 Rainer Hoffschildt: 140.000 Verurteilungen nach „§ 175", in: Invertito, Jahrbuch für die Geschichte der Homosexualitäten
, 4. Jahrgang (2002), S. 140-149, hier S. 149.

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