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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0166
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che Ursachen. Angeblich starb der 35-Jährige an Herz- und Kreislaufproblemen. Es ist
aber bekannt, dass die meisten Homosexuellen, die in Sachsenhausen den Tod fanden, ermordet
wurden.

Die NS-Personenbeschreibung von Hans Winterhalter aus dem Jahr 1940 ist überliefert:
1,70 m groß, Gestalt mittel, braune Augen und braunes Haar, Gesicht und Kinn oval, Nase,
Mund und Ohren gewöhnlich, Stirn hoch, Zähne gut, eine Narbe an der rechten Wange.

Zum Gedenken an Hans Winterhalter wurde in der Fürstenbergstraße in Freiburg ein
„Stolperstein" verlegt.35

Ernst W., ein Todesurteil von 1945 wegen Homosexualität

Der 1911 in Magdeburg geborene Ernst W. besuchte in seiner Heimatstadt die Schule und
fuhr dann von 1928 bis 1932 als Matrose auf verschiedenen Schiffen zur See. Anfang 1931
trat er der NSDAP und der SA bei. Wegen gleichgeschlechtlicher Betätigung wurde er
aber 1935 aus dem SA-Dienst entlassen und 1936 aus der NSDAP ausgeschlossen. Am
6. Oktober 1938 verurteilte ihn die Große Strafkammer des Landgerichts Magdeburg wegen
gleichgeschlechtlicher Betätigung in insgesamt 22 Fällen zu einer Gefängnisstrafe
von 3 Jahren und 2 Monaten. Nach seiner Entlassung hielt er sich im Bodenseeraum auf.
Bald stand er erneut vor Gericht. Das Landgericht in Konstanz sprach ihn am 17. August
1944 wegen Verbrechen gegen § 175 StGB in vier Fällen schuldig und verhängte eine Gesamtstrafe
von 3 Jahren Zuchthaus und 5 Jahren Ehrverlust. Außerdem wurde Sicherungsverwahrung
angeordnet. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Revision ein, das Urteil
wurde aufgehoben und zu einer neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurückverwiesen. Im Zuge dieses Prozesses wurde er am 8. Februar 1945, exakt
drei Monate vor Kriegsende in Europa, als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher" zum
Tode verurteilt; seine Ehrenrechte wurden auf Lebenszeit aberkannt! In der Urteilsbegründung
heißt es:

Das Gericht hat nach alledem keinen Zweifel, dass der Angeklagte ein unverbesserlicher Volks- und
insbesondere Jugendv erderber [Jugend hieß damals aufgrund §175a Ziffer 3 StGB minderjährig, d.h.
hier Männer unter 21 Jahren; Anmerkung des Verfassers] von solcher Gefährlichkeit und von solchem
Unwert der Persönlichkeit ist, dass die Allgemeinheit nur durch seinen Tod vor ihm geschützt werden
kann, und der auch durch die hemmungslose und unverbesserliche Art, mit der er seit vielen Jahren
durch seine gleichgeschlechtliche Betätigung dazu beigetragen hat, die Moral des Volkes zu untergraben
und die heranwachsende männliche Jugend zu verderben, so schwere Schuld auf sich geladen hat,
dass er auch um der gerechten Sühne willen, die Todesstrafe verdient hat. Die wenigen Umstände, die
zu Gunsten des Angeklagten sprechen - dass er als Arbeiter seine Pflicht erfüllt und seine Mutter bis
zu deren Tod geldlich unterstützt hat - können an der Notwendigkeit, den Angeklagten zum Schutze der
Volksgemeinschaft dauernd unschädlich zu machen und die Folgerung daraus zu ziehen, dass sich der
Angeklagte durch seine gemeinschaftsschädliche Gesinnung und die Schwere seiner Schuld selbst
außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt hat, nichts ändern.

Aufgrund des § 1 des Reichsgesetzes vom 4. September 1941 war die Todesstrafe für
gefährliche Gewohnheitsverbrecher möglich. Die Todesstrafe wurde bei Homosexuellen
aber sehr selten verhängt. Sein Rechtsanwalt legte Revision ein, der auch stattgegeben
wurde. In den Wirren am Kriegsende wurde Ernst W. am 19. April 1945 in das Zuchthaus
Kaisheim „verschubt", wo er bis zur neuen Verhandlung 1947 blieb. Im September 1946
wurde in Freiburg das Urteil vom 8. Februar 1945 aufgehoben und zur neuen Verhand-

35 Information über die Familie Winterhalter von Herrn Weber, Hinterzarten; Dokumentations- und Informationszentrum
Emslandlager, Papenburg; StAF, Bestand F 176/19, Nr. 9502, Register für Hauptverfahren 1935-1948,
Abt. 4; Archiv der Gedenkstätte Flossenbürg; Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen; Brandenburgisches Lan-
deshauptarchiv Potsdam, Bestand PR.BR.REP.35H, Band 3/18, Blatt 242, Sterbebuchnummer 1031 (Totenschein
); Meckel (wie Anm. 26), S. 91f.

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