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leiter ersuchten, die nichtöffentliche Verhandlung, in die er sich eingedrängt hatte, zu verlassend
Es verblieben, dies hat die historische Widerstandsforschung der letzten Jahre deutlich
gemacht, durchaus Ermessens- und Handlungsspielräume: für die formal noch immer unabhängigen
Richter wie für die freiberuflichen Rechtsanwälte.

Baders anwaltliche Berufspraxis

Es waren Mandate des anwaltlichen Arbeitsalltags, die Karl Siegfried Bader vornehmlich übernahm
: Rechtsberatungen zumeist in zivilrechtlichen Angelegenheiten. Bei der Sichtung der
Handakten 1945 ließ er sie noch einmal Revue passieren, um schließlich mit einem Wie weit
entfernt den Aktendeckel zu schließen. An einen „Büroschreck" erinnerte er sich im Nachkriegstagebuch
, eine treue, jedoch etwas strapazierende Klientin.31 Aber es gab auch einige politisch
brisante Mandate, darunter die Pflichtverteidigung in einem Landesverratsprozess vor
dem Berliner Volksgerichtshof. Die innere Anspannung, mit der er dieses Mandat übernahm,
ist selbst der Jahrzehnte später veröffentlichten Schilderung noch anzumerken: Neben der blendend
weißen Uniform des Luftwaffengenerals, der als richterlicher Beisitzer fungierte, ist mir
in Erinnerung, dass die Verteidiger in diesem einen Verfahren, das gewiss keine Verallgemeinerung
zulässt, höflich-kühl behandelt und korrekt angehört wurden, dass sich auch der Anklagevertreter
korrekt verhielt und dass die Strafen eher unter dem blieben, was wir Verteidiger
erwartet haben. In diesem Fall ist mir als Verteidiger etwas für mich einmaliges passiert:
beeindruckt von der Schwere des Schuldvorwurfs und der zu erwartenden Strafe hatte ich mein
Plaidoyer besonders sorgfältig vorbereitet, auch um nicht im Eifer des Gefechts zu entgleisen.
Da ließ der Staatsanwalt zu meinem Entsetzen die Anklage fallen, um meinen Mandanten unter
einem anderen, leichteren Gesichtspunkt anzuklagen. Nun konnte ich mein Manuskript unter
der Robe verschwinden lassen, um im gewohnten Stil frei zu antworten - auch ein kleines
Seitenlicht zur Erhellung der Strafverteidigung im Dritten Reich und der Situation des Verteidigers
!32

Zu Baders Klientel gehörten Verfolgte und Opfer des Unrechtsstaates: Juden und so definierte
„jüdische Mischlinge", Katholiken und Vertreter der katholischen Kirche, dienstentlassene
Beamte. 1936/37 vertrat er die jüdische Geschäftsführerin einer Freiburger Korsetthandlung
gegen ihre Angestellten und sah sich prompt im NS-Blatt „Der Führer" angeprangert:
Rechtsanwalt Bader hat sich zu[m] Judengenossen erniedrigt und damit der Verachtung des
Volkes preisgegeben.33 Nun war die Vertretung jüdischer Mandanten durch Nichtparteimitglie-
der wie Bader zunächst noch nicht verboten. Kaum einer wollte jedoch die mit der Namensnennung
fraglos einhergehende Stigmatisierung und den Verlust von Klienten riskieren. Dass
Bader sich auch weiterhin Rechtsuchender wie jenes lettisch-jüdischen Studenten annahm, den
zu vertreten ihn das Schweizerische Konsulat beauftragt hatte, illustriert seine berufsethische
Standfestigkeit. Seine verfolgte regimekritische Klientel wiederum konnte sicher sein, dass sie
bei ihm den keineswegs mehr selbstverständlichen Vertrauensschutz genoss. Im Büro am Martinstor
, in das man von der Sackgasse her über eine Art Hintertreppe kam, betrat der anwaltlichen
Rat Suchende quasi eine Enklave: Lage und Größe waren unwichtig, wichtig nur, dass
dieses Büro zwei Doppeltüren hatte, die jeweils innere gepolstert. Solche Doppeltüren zeigten
in jenen Tagen eine merkwürdige Gemeinsamkeit, gleich ob dahinter ein Arzt, Rechtsanwalt
oder Makler hauste: sie erlaubten die Rückkehr zum eigentlichen Ich. Viele haben jenen kleinen
Raum in jenen Jahren betreten. ,Arier' und ,Nichtariery, ,nichtarischf versippte und wie
die rassischen Kategorien sonst noch hießen, und immer wieder geschah dasselbe. Kaum war

30 Bader (wie Anm. 19), S. 14.

31 Weber (wie Anm. 13), S. 53.

32 Bader (wie Anm. 21), S. 11.

33 Vgl. „Der Führer", 5. Januar 1937.

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