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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2009/0192
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Vorwurf der Beliebigkeit nicht ganz von der Hand zu weisen - die Herausgeber nennen dies eher Vielfalt
-, so überzeugen die ausführlichen und ausgefeilten Lebensbilder, die neben einem ganzseitigen Tafelbilde
des/der Vorgestellten ein detailliertes Quellen-, Werk- und Literaturverzeichnis bieten und so dem
Leser die Möglichkeit geben, sich dem Gegenstand seines Interesses vertiefend zu nähern.

Die Biografien sind innerhalb des Bandes zeitlich geordnet und werden eröffnet von Klara Tott („Det-
tin") (um 1440-1520), der in morganatischer Ehe mit dem Pfalzgrafen Friedrich I. dem Siegreichen verbundenen
Augsburger Bürgerstocher, deren Schicksal nicht so dramatisch wie das der ebenfalls aus Augsburg
stammenden „Bernauerin" verlief, deren Leben jedoch in einer Umbruchzeit durchaus bewegende
Züge verzeichnet und deren Sohn Ludwig die wittelsbach-kurpfälzische Dynastie der Grafen von Löwenstein
begründete, und enden mit der heute vergessenen schwäbischen Staatsschauspielerin Maria Kop-
penhöfer (1901-1948). In diesem Zeitrahmen begegnen uns so illustre Gestalten wie die gleichfalls zur
linken Hand verbundene Luise Caroline Reichsgräfin von Hochberg (1768-1820), im Haus Baden durch
die Kaspar-Hauser-Affäre und die Zielstrebigkeit in der Durchsetzung der Thronfolge für ihre Söhne in
Misskredit geratene einstige Hofdame, das Schicksal der Stiftsdame und Dichterin Karoline von Günder-
rode (1780-1806), die, befangen in einer der Romantik geschuldeten Todessehnsucht, letztlich den Freitod
wählte und erst durch die Schriftstellerin Christa Wolf und ihre Erzählung „Kein Ort. Nirgends" (1979)
wieder in Erinnerung gerufen wurde. Schließlich die Tragik eines Albert Leo Schlageter (1894-1923), dessen
früher Tod vor den Gewehrläufen eines französischen Erschießungspelotons für seine posthume Vereinnahmung
als Märtyrer durch radikale politische Strömungen beider Richtungen verantwortlich war. So
lädt dieser Band erneut zu einem breit gefächerten personal- wie lokalgeschichtlichen Lesevergnügen ein,
auf dessen Fortsetzung die bereits projektierten Bände hoffen lassen. Karlheinz Deisenroth

Annett Moses: Kriminalität in Baden im 19. Jahrhundert. Die „Übersicht der Strafrechtspflege" als
Quelle der historischen Kriminologie (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde
in Baden-Württemberg: Reihe B, Forschungen 163), W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2006,415 S.

„Dem Großherzogtum Baden gebührt das Verdienst, als erster deutscher Staat eine umfangreiche Kriminalstatistik
angefertigt zu haben, die sich an das Vorbild des französischen Nachbarstaats bewusst anlehnte
", so eröffnet die anzuzeigende Studie von Annett Moses die Darstellung und Untersuchung der Kriminalität
in Baden. Im Mittelpunkt steht die Auswertung von Quellen, unter denen der „Übersicht der
Strafrechtspflege" (geführt von 1829 bis 1878) mit ihrem umfangreichen Dokumentationszeitraum und
ihren recht differenzierten Angaben besondere Bedeutung zukommt. Daneben werden auch die seit 1808
erschienenen „Civil- und Strafrechtstabellen" herangezogen. Von Interesse ist außerdem der Blick auf den
„Compte general", der zweifellos als Vorbild der badischen Kriminalstatistik zu gelten hat (S. 69ff.).

Die sorgfältige Untersuchung, die stets den historischen Kontext der Kriminalität und ihre sozialgeschichtlichen
Aspekte im Blick behält, vermag vor allem durch zahlreiche Tabellen, Karten und Diagramme
die gewonnenen Ergebnisse anschaulich darzustellen. Doch auch in anderer Hinsicht ist diese Bestandsaufnahme
der in den Zeugnissen registrierten Kriminalität hervorzuheben: die kritische Durchführung
und problembewusste Herangehensweise der Autorin, die sich vor allem darin äußert, dass
jederzeit die begrenzte Aussagekraft der Quellen im Bewusstsein bleiben. Denn solche Kriminalstatistiken
haben weder die Kriminalität als grundsätzliches Phänomen noch die tatsächlich geschehenen Straftaten
im Blick, sondern fokussieren vor allem das Wirken der Strafgerichte und die dort verhandelten Fälle.
So beschränkt sich die Auswertung der dokumentierten Befunde von vornherein auf einen Ausschnitt dessen
, was mit dem Begriff „Kriminalität" insgesamt angesprochen ist. Dennoch verfügen die Ergebnisse
über eine Aussagekraft, die zum Teil auch über dieses Segment hinaus Allgemeingültigkeit beanspruchen
können: Dazu gehört etwa die Feststellung eines „eindeutigen Aufwärtstrends der Kriminalität" im ausgewerteten
Zeitraum, „der sich nach der Jahrhundertmitte verstärkt" (S. 191), wobei zu berücksichtigen
ist, dass ausgerechnet aus dieser Zeit Daten fehlen, weil die „Übersicht der Strafrechtspflege" gerade in
den Jahren 1848 bis 1851 wegen der Revolution und den daraus erwachsenen Nachbeben (die Quelle
selbst spricht erklärend nur von „bekannten Ereignissen", S. 117) unterbrochen ist. Andere nun für Baden
- trotz der genannten Einschränkung - in dieser umfassenden Form erstmals belegten Befunde sind die
von Moses als „Bestimmungsfaktoren" bezeichneten Ursachen und Kontextvariablen der Kriminalität:
Demografie, Urbanisierung, Ökonomie, Konjunktur und Modernisierung (auch hier behält die Verfasserin
in der Bewertung dieser Faktoren statt monokausaler Ursache-Folge-Argumentation grundsätzlich ihre
differenzierte Perspektive bei).

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