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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0136
anerkannt und anständig behandelt. Dennoch hatte sie sich regelmäßig bei einem Polizeiposten
zu melden, was mit einem Stempel auf einer Karte dokumentiert wurde. Einmal fand sogar eine
Uberprüfung ihrer Arbeitsleistung und der Kriegswichtigkeit ihres Arbeitsplatzes durch
Gestapo-Beamte aus Stuttgart statt. Wahrscheinlich stand dieser Kontrollbesuch in Zusammenhang
mit der oben erwähnten Ausnahmeregelung im „Auschwitzbefehl" für zigeunerische
Personen mit festem Wohnsitz und wehrwichtigem Arbeitseinsatz. Von ihrem Chef war Monika
G. durch ein vereinbartes geheimes Zeichen über die Beteiligung der Gestapo an der Arbeitsplatzbesichtigung
gewarnt worden. Die Kontrolle wurde erfolgreich bestanden. Damit blieb ihr
die Deportation ins Konzentrationslager und die dortige Ermordung, der ihr Bruder zum Opfer
fiel, erspart, doch noch drohte ihr die Zwangssterilisation. Ihr entging sie nur dank einer glücklichen
Fügung und eines mutigen Schachzuges ihrer Mutter, die um die Sinti-Abstammung des
zum Vorbereitungsgespräch vorladenden Beamten wusste und ihn damit unter Druck setzen
konnte.

Abgesehen vom zuletzt dargestellten Fall der Monika G. beruhen unsere Kenntnisse über die
vorgestellten Verfolgungsschicksale größtenteils auf nach dem Ende der Nazidiktatur angelegten
und geführten Akten des Landesamts für Wiedergutmachung, die im Staatsarchiv Freiburg
aufbewahrt werden. Diese betreffen naturgemäß nur Personen, die die Verfolgungszeit überlebt
haben und die - oder deren Kinder - Anträge auf Entschädigung für das erlittene Unrecht stellen
konnten. Viele in Auschwitz und den anderen Konzentrationslagern gequälte und ermordete
Sinti und Roma, auch aus Freiburg und der Umgebung, hatten aber keine Stimme mehr. Sie
konnten nach dem Ende der Terrorherrschaft nicht mehr die Täter anklagen und Wiedergutmachung
- wenn denn diese überhaupt möglich wäre - einfordern. Doch dürfen sie deshalb
nicht vergessen werden. Ihrem Gedenken vor allem muss dieser Beitrag gewidmet sein.

Die sogenannte „Wiedergutmachung" ist an dieser Stelle nicht unser Thema, doch soll sie
wenigstens kurz angesprochen werden. Sie ist im Falle der Sinti und Roma mehr als unbefriedigend
gelaufen. Die damit befasste Behörde legte - jedenfalls ist das aus den von uns ausgewerteten
Akten zu schließen - eine bemerkenswerte Gleichgültigkeit, Uneinsichtigkeit und
Unwilligkeit zur Hilfe oder Entschädigung an den Tag. Die Aussagen der Antragsteller über
erlittene Leiden, Verluste von Sachwerten und Haftzeiten wurden generell zunächst angezweifelt
und teilweise mit bürokratischen Begründungen vom Tisch gefegt. So äußerte man zum Beispiel
im Falle der nach Polen verschleppten und zur Zwangsarbeit eingesetzten Maria M.
Zweifel, ob überhaupt haftähnliche Bedingungen vorgelegen hätten. Und ihre Deportation
wurde in einem Bescheid vom 22. Mai 1957 mit den Worten abgetan: Die zwangsweise Umsiedlung
war aber zunächst keine nationalsozialistische Gewaltmaßnahme aus Gründen der
Rasse..., sondern eine durch die Kriegslage bedingte militärische und sicherheitspolizeiliche
Regelung. Sie bezweckte die Räumung der Grenzgebiete von Personengruppen, die erfahrungsgemäß
für die militärische Führung ein unsicheres Element bedeuten.29 Man kann sich des
Eindrucks nicht erwehren, dass die Sinti im Wiedergutmachungsverfahren noch unfairer behandelt
wurden als die Juden und dass alte Vorurteile weiterwirkten. Dass im Umgang mit den
Antragstellern benutztes Vokabular, Diktion und Tonart sich häufig kaum von der Ausdrucksweise
in der NS-Zeit unterscheiden, verwundert so kurz nach dem Kriege und angesichts der
Kontinuität der Verwaltung kaum. Erschreckend ist nur das dabei zum Vorschein kommende
fehlende Bewusstsein für das erlittene Unrecht der Sinti und Roma. Doch in dieser Hinsicht ist
die Freiburger Außenstelle des Landesamts für Wiedergutmachung keineswegs eine Ausnahme.

StAF, F 196/1 Nr. 2842 Akte des Landesamts für Wiedergutmachung.

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