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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2011/0186
Vereinigung unterschiedlichster Herrschaftsgebiete im neu geschaffenen Großherzogtum. Hinzu traten
Kriegsfolgen, Agrarunruhen durch schlechte Ernten und - vor dem Einsetzen der Industrialisierung - fehlende
Arbeitsplätze für die stark angewachsene Bevölkerung. Nicht zuletzt animiert durch die französischen
Revolutionen von 1789, 1830 und schließlich 1848 erhoben sich auch rechtsrheinisch Aufstände, die
in die Revolution von 1848/49 mündeten. Keineswegs sei sie jedoch nur eine „Badische Revolution" gewesen
, stellt der Autor gleich zu Beginn seiner Abhandlung fest. Frank Engehausen, ein ausgewiesener
Kenner der 1848er-Revolution, über die er bereits mehrfach aus verschiedenen Blickwinkeln forschte, hält
nichts von „Heldengesängen". Er sieht die Revolution in Baden in Zusammenhang mit den Ereignissen im
Deutschen Bund, zu dem damals noch Österreich gehörte. Bis Ungarn und Venedig wirkten sich die
Unruhen aus, die allerdings zunächst nirgends zu einer umfassenden Demokratisierung führten.

Ein deutschlandweit außergewöhnliches Ereignis (S. 21) stellte die 1847 in Baden erfolgte Spaltung des
Liberalismus in einen gemäßigten und einen radikalen Flügel dar. Letzterer, von Hecker und Struve angeführt
, forderte neben gleichen Bildungschancen Beseitigung der Adelsprivilegien, Presse-, Lehr- und
Glaubensfreiheit auch eine „progressive Einkommenssteuer". Zur Revolution im März 1848 kam es aber
erst nach dem Sturz des französischen Königs Louis Philippe. Sie erfasste zunächst das nahe gelegene
Baden. Für die Radikalen enttäuschend verlief das Frankfurter Vorparlament, sodass Hecker sich zur militärischen
Aktion entschloss, die jedoch bereits nach 14 Tagen, am 27. April, scheiterte. Bürger und Bauern
waren offenbar noch nicht zur Revolution bereit. Selbst der Struveputsch im September 1848 stieß beim
Volk auf „nur wenig positive Resonanz" (S. 131). Die Situation änderte sich im darauffolgenden Jahr, als
die Staatsbürger durch die zahlreichen Volks vereine mit ca. 35.000 Mitgliedern auf eine Revolution vorbereitet
worden waren. Es ist aufschlussreich, dass allein ein Fünftel der Führungsgruppe sich aus „den lokalen
Führungseliten" zusammensetzte - Bürgermeister, Gemeinderäte usw. -, danach rangierten
Handwerker, Gastwirte, Volksschullehrer, Ärzte und Rechtsanwälte, aber kaum Landwirte.

Den Anstoß für die Mairevolution bot letztendlich das Scheitern der Reichsverfassung, einer Mischung
aus demokratischen und monarchischen Elementen. Der preußische König lehnte die ihm angetragene
Kaiserkrone ab und damit waren die Erfolge der Paulskirche in Frage gestellt. Die seit langem ersehnte
Einheit Deutschlands war in weite Ferne gerückt.

Am 11. Mai kam es in der Rastatter Bundesfestung zu Militärunruhen, am Tag darauf hielten die
Volksvereine in Offenburg „mit beiläufig 30.000 Männern" (S. 159) eine Zusammenkunft ab, in der unter
anderem die Auflösung des Landtags und die Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung gefordert
wurden. Nachdem auch in Karlsruhe das Militär rebellierte, floh Großherzog Leopold I. und die
Radikalen übernahmen kurzzeitig die Macht im Lande. Badische Revolutionstruppen versuchten vergeblich
, sich schon im Vorfeld Unterstützung bei Aufständischen aus anderen deutschen Staaten zu holen, da
sie eine Niederschlagung durch (gegenrevolutionäre) preußische Truppen befürchteten, wie sie dann auch
eintrat.

Frank Engehausen geht der Frage nach, warum es beim badischen Militär ebenfalls zu Aufständen kam,
welche die Revolution weiter anheizten. Die badische Armee verhielt sich offenbar anders als die Soldaten
der übrigen Staaten, die sich zur Bekämpfung der Revolution einsetzen ließen. Als plausible Erklärung
nennt er zum einen die starke Agitation der demokratischen Volksvereine, zum anderen die den badischen
Soldaten genehmigte Versammlungsfreiheit, welche in der Folge die Disziplin unterhöhlt habe (152f).

Nach kurzem Sieg der Radikalen schlug die preußische Armee die Revolution nieder. Strafjustiz und
Säuberungsaktionen setzten ein. Lange Jahre der Reaktion und Repression folgten und statt einer -zumindest
- kleindeutschen Reichsgründung wurde der Deutsche Bund wiederhergestellt. Alles blieb beim Alten,
profitiert haben lediglich die Bauern, da die Agrarreformen nicht angetastet wurden. Die radikale Elite der
Revolution war auf Dauer ausgeschaltet, die Liberalen erlebten ein Comeback unter Großherzog Friedrich
I.

Frank Engehausen rundet seine Revolutionsgeschichte ab mit einem aufschlussreichen Kapitel über
Erinnerung und Rezeption dieses Ereignisses im Verlauf von knapp 150 Jahren. Warum aber die Revolution
in Baden Besonderheiten wie den Heckerzug, den Struveputsch und die Mairevolution aufwies, die „den
Verlauf der deutschen Revolution zum Teil maßgeblich beeinflussten" (S. 8f.), konnte auch ein Kenner wie
er nicht erklären. Vielleicht hat der seit 1818 bestehende VerfassungsStaat dieses Schmelztiegels mit seiner
modernen und liberalen Verfassung zu eben dieser Besonderheit geführt.

Die Reihe „Kleine Geschichte" bietet auch mit diesem Band eine kompakte Übersicht zu einem herausragenden
Ereignis in der Geschichte Badens, der interessierte Leser zu weiterführender Lektüre anregen

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