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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2014/0151
Der SS-Arzt Josef Mengele zwischen
Freiburg und Auschwitz

Ein örtlicher Beitrag zum Banalen und Bösen

Von

Markus Wolter

„Do you know Mengele?" - eine Revision

Josef Mengele in Freiburg? Folgt man den 2007 veröffentlichten Erinnerungen des Freiburger
Alt-Oberbürgermeisters Dr. Rolf Böhme, so glaubte dieser zunächst noch an einen „Irrtum" oder
gar „schlechten Scherz", als ihn am Samstag, dem 1. Juni 1985 ein Journalist der Washington
Post anrief und ihn unvermittelt auf den seit Jahrzehnten weltweit gesuchten NS-Verbrecher und
als „Todesarzt" von Auschwitz berüchtigten SS-Hauptsturmführer Josef Mengele ansprach: „Do
you know Mengele?"1 Ob er denn wisse, dass dieser sich „in der Nazizeit in Freiburg aufgehalten
hatte, hier verheiratet gewesen sei und seine Verwandten heute noch hier leben würden"? Böhme
musste dem Journalisten wie sich selbst damals eingestehen, dass er von einem biografischen
Bezug Mengeies zu Freiburg keinerlei Kenntnis gehabt hatte. Einigermaßen konsterniert habe
er dem Journalisten am Telefon noch das Versprechen gegeben, sich über diese Angelegenheit
zu informieren. Bereits am selben Abend hätten sich allerdings bei einem Treffen mit Freiburger
Gemeinderatsmitgliedern eine „altgediente Stadträtin" und einer ihrer Amtskollegen als unerwartet
informierte Zeitzeugen erwiesen und inoffiziell bestätigt, was offenbar nicht nur dem
US-Journalisten längst bekannt gewesen war: Der „hier verheiratete" Mengele sei tatsächlich
„während des Krieges" mehrfach in Freiburg gewesen und war bei der Zeitzeugin - befremdlich
genug - überdies als „sehr guter Tänzer" in Erinnerung geblieben. Ferner wurde von einem der
älteren Stadträte gesprächsweise bestätigt, dass sowohl Mengeies erste, wiederverheiratete Frau
Irene Hackenjos als auch deren 1944 in Freiburg geborener Sohn Rolf Mengele in Freiburg
lebten; dieser als Rechtsanwalt mit Kanzlei in der Rotlaubstraße und mit Eintrag im Freiburger
Telefonbuch. „Das Ganze war nicht zu fassen", so Böhme weiter: „Innerhalb von 12 Stunden
bestätigten sich die Beziehungen Mengeies zu Freiburg und ich hatte als Bürgermeister von
dieser Verbindung keine Ahnung gehabt."2 Schon am darauffolgenden Montag habe er deshalb
umgehend „die zuständigen Amtsleiter" ins Rathaus kommen lassen und einen „Schnellbericht
nach Aktenlage" zur Causa ,Mengele in Freiburg4 angeordnet. Jetzt hatte man offenbar keine
Zeit mehr zu verlieren und wollte der Peinlichkeit abhelfen, ausgerechnet vor Ort ahnungslos zu
sein. Und tatsächlich: Ein Blick in die Einwohnermeldekartei des zuständigen Einwohnermeldeamtes
genügte offensichtlich und es fanden sich u.a. die Freiburger Meldekarten von Josef, Irene
und Rolf Mengele. Wenn auch erst nach 1949 angelegt, belegen sie nicht nur die ordentliche
Anmeldung der Familie Mengele in Freiburg für die Jahre 1943 und 1944, sondern auch die
Wiederanmeldung Irene und Rolf Mengeies im Jahr 1949, die Ehescheidung von Josef und Irene

Rolf Böhme: Orte der Erinnerung - Wege der Versöhnung. Vom Umgang mit dem Holocaust in einer deutschen
Stadt nach 1945, Freiburg/Basel/Wien 2007, hier das Kapitel „Do you know Mengele?", S. 10-14, hier
S. 11.

Ebd., S. 12.

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