Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0009
Ein evangelisches Bekenntnis aus den frühen Reformationsjahren.

Die Aussagen eines Freiburger Bürgers

Kommentar und Edition*

Von

Tom Scott

Im Urkundenbestand des Stadtarchivs Freiburg befindet sich ein undatiertes broschiertes Doppelheft
, das zeitlich wohl um das Jahr 1522 einzuordnen ist.1 Es handelt sich dabei um die Niederschrift
aus der Hand eines Freiburger Ratsschreibers von Rechtfertigungsaussagen eines nicht
genannten evangelisch Gesinnten, der Anschuldigungen eines Münstergeistlichen zurückweisen
will, er habe sich mehrmals öffentlich gegen dessen katholische Predigten geäußert. Die Beschaf-
fenheit und das Außere des Hefts geben indes mancherlei Rätsel auf. Seine Blätter sind beidseitig
in Spalten (mit Ausnahme von Blatt 1) beschrieben, wie wir es etwa auch aus den Freiburger
Ratsprotokollen kennen, freilich mit Streichungen, Einschüben und eingenähten Viertel- oder
Halbblättern. Daraus ist zu schließen, dass es sich um schriftliche Eingaben des Angeklagten
bei einem Verhör handelt, das sich über mehrere Termine bzw. Tage erstreckte; diese hat der
Schreiber sodann im Protokoll wörtlich übernommen. Diese Vermutung wird dadurch erhärtet,
dass die Antworten des Angeklagten recht detailliert ausfallen, mit zumeist getreu zitierten Belegstellen
aus beiden Testamenten der heiligen Schrift sowie dem „Decretum Gratiani", sowohl
auf Deutsch als auch auf Latein, die mündlich kaum so hätten vorgetragen werden können. Es
verwundert dennoch, dass der Schreiber einer katholisch gebliebenen Stadt dieses evangelische
,Beweismateriar in solcher Ausführlichkeit zu Papier gebracht hat, es sei denn, die Obrigkeit
wollte sehr genaue Auskünfte über das Ausmaß der evangelischen Gesinnung in der Stadt und
den Kenntnisgrad ihrer Anhänger gewinnen.2 Noch befremdlicher ist die Tatsache, dass das Heft
die Antworten auf zwei Beschwerdepunkte enthält, eine dritte jedoch nach zunächst niedergeschriebener
, dann gestrichener Inhaltsangabe weglässt. Darauf wird zurückzukommen sein.

Dieser Aufsatz ist dem Andenken an Prof. Dr. Dieter Mertens gewidmet.

Stadtarchiv Freiburg (StadtAF), AI XV Af oc. Die Bleistiftdatierung am Fuß des ersten Blatts stammt
wohl vom einstigen Stadtarchivar Peter P. Albert, dessen Transkribierung des Stücks sich in seinem im
Archiv aufbewahrten Nachlass befindet. StadtAF, Kl/1, 1911-1919, 64 m (2). Gegen diese Datierung sind
keine prinzipiellen Bedenken anzubringen. Das Regest verfälscht freilich in zweifacher Hinsicht dessen
Inhalt. Zum einen wurde das Datum „um 1522" durchgestrichen und durch „Mitte des 16. Jahrhunderts"
ersetzt. Zum andern heißt es: „Ein ungenannter Münster-Prediger rechtfertigt sich gegen die Anklage, er
habe in seiner Predigt vom letzten Sonntag nach Johannis d. T. das Evangelium vermengt und verdunkelt
mit menschlichen leren". Doch handelt es sich vielmehr um die Rechtfertigung eines unbekannten evangelisch
' Gesinnten gegen die Vorwürfe des besagten Münstergeistlichen. Das Aktenstück ist - streng
genommen - selbstverständlich keine Urkunde und wäre passender in die anderen Akten der frühen
Reformation unter StadtAF, Cl Kirchensachen 143 einzuordnen.

Über die religiöse Lage der Stadt in den frühen Reformationsjahren siehe zuletzt Tom Scott: Why was there
no Reformation in Freiburg im Breisgau?, in: Ders.: The Early Reformation in Germany Between Secular Im-
pact and Radical Vision, Farnham-Burlington, VT 2013, S. 143-181. Ferner: Horst Buszello/Dieter Mertens/
Tom Scott: „Lutherey, Ketzerey, Uffrur". Die Stadt zwischen Reformation, Bauernkrieg und katholischer
Reform, in: Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, Bd. 2: Vom Bauernkrieg bis zum Ende der habsburgi-
schen Herrschaft, hg. von Heiko Haumann und Hans Schadek, Stuttgart 1994, S. 13-68, hier S. 35-41.

7


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland2015/0009