Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene e. V., Frei122-Z4
Zentralblatt für Okkultismus: Monatsschrift zur Erforschung der gesamten Geheimwissenschaften
7.1913/14
Seite: 321
(PDF, 170 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zb_okkultismus1913/0328
Außerordentlich rätselhaft ist, was Schubert durch den Hrsto-
riker Leopold Ranke von der Marchese Solari erfuhr. Diese, in
Venedig geboren, hatte eine Französin zur Mutter und sprach daher in
ihrer Kindheit Französisch, verlernte aber später diese Sprache vollständig.
Während eines Fiebers nun vergaß sie auf einmal air ihr Italienisch und
sprach wieder geläufig Französisch. Nach der Genesung kehrte ihr die
gewöhnliche Fertigkeit im Italienischen zurück und verlernte sie wieder
das Französische. Im hohen Alter konnte sie jedoch abermals kein
Italienisch mehr sprechen, sondern nur mehr die Sprache ihrer Kindheit:
Französisch.*)

Bewerten wir die oben angeführten Beispiele und Tatsachen nach
ihrer ganzen Bedeutung und halten wir sie zusammen mit verschiedenen
anderen psychologischen Tatsachen, so erkennen wir klar die Haltlosigkeit
derjenigen Anschauungen, welche das Gedächtnis auf das Zurückbleiben
von irgendwelchen Spuren zurückführen, welche frühere Eindrücke
im Gehirn hervorgerufen haben. Wir gelangen sonach zur gleichen Ansicht
, zu welcher sich der hervorragendste moderne Denker: Henri
Bergson bekennt (Vgl. dessen Werk: Materie und Gedächtnis.)

In unserem Zusammenhange ist eine Stelle aus Professor Berg-
sons Artikel »Leib und Seele« (Juliheft der »Neuen Rundschau«)
für uns lehrreich. In diesem Aufsatz gelangt Bergson auf anderen Wegen
zu der Auffassung, daß der »Sitz« des Gedächtnisses nicht das Gehirn
sein kann, und legt sich schließlich selbst die Frage vor (S. 905):
»Wenn das Gedächtnis nun aber nicht im Gehirn aufgespeichert ist, wo
also ist es aufgespeichert?« »Eigentlich weiß ich nicht recht«, fährt er
dann fort, »ob diese Frage nach dem »wo« noch einen Sinn hat, wenn
man von etwas anderem spricht als von einem Körper. Klischees werden
in einem Kasten aufbewahrt, Phonographenrollen in Fächern, aber warum
sollten Erinnerungen, die doch nichts Sichtbares und nichts Fühlbares
sind, einen Behälter brauchen, und wie könnten sie einen haben?
Doch will ich, wenn Ihnen daran liegt, die Idee von einem Behälter in
rein metaphorischem Sinn nehmen, und Ihnen also ganz einfach sagen,
sie seien im Geiste. * Ich baue keine Hypothese, ich beschwöre keine
mysteriöse Entität herauf, ich halte mich an die Beobachtung, denn es
gibt nichts unmittelbarer Gegebenes, nichts evidenter Reelles als das
Bewußtsein, und der Menschengeist ist das Bewußtsein selber. Nun bedeutet
aber Bewußtsein vor allem Gedächtnis.«

So erkennen wir auch hier wieder, was sich schon oben ergeben
hat, daß das Problem des Gedächtnisses mit jenem anderen des Bewußtseins
aufs engste zusammenhängt.

*) G. H. von Schubert: Geschichte der Seele, Stuttgart 1850.

Zentralblatt für Okkultismus. VII. Jahrg.


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